Auch Humor gehabt“
Alois Brandstetter über seinen Landsmann Adalbert Stifter, dessen Todestag sich morgen zum 150. Mal jährt. Eine Einladung, den Biedermeierdichter neu zu lesen.
In seiner Laudatio auf den Stifterpreisträger 1999, den mittlerweile verstorbenen oberösterreichischen Autor Franz Rieger, hatte ihn Landsmann Alois Brandstetter noch als „stifterischsten“aller Stifter-preisträger gewürdigt. Sechs Jahre später wurde der heute emeritierte Universitätsprofessor aus Klagenfurt selbst mit dem Stifterpreis geehrt. Was ist das Stifterische an Ihnen, Professor Brandstetter? „Na ja, bei mir herrscht ja mehr der Unernst“, schmunzelt der Autor, der heuer seinen 80. Geburtstag feiern wird. Nachsatz: „Er hat aber schon auch Humor gehabt, der Stifter.“
Stifters „Humor“sei sehr zurückhaltend: „Ironie oder gar Sarkasmus ist ihm durchaus fremd. Ich kann mich mit Stifter nicht vergleichen. Auch nicht als Stifter-preisträger des Landes Oberösterreich. Und auf eine Erinnerungs- und Gedenktafel, wie Stifter in Kremsmünster in der Nähe des Meierhofes eine bekommen hat, werde ich Stifter-preisträger Alois Brandstetter (79)
im Petrinum, dem bischöflichen Gymnasium in Oberösterreich, nicht hoffen dürfen.“
Geboren wurde Stifter 1805 in eine deutschsprachige Familie in Böhmen. Er maturierte am Stiftsgymnasium Kremsmünster, nach seinen Wiener Studienjahren lebte er als Lehrer in Linz. Stifter, dessen Todestag sich am Sonntag zum 150. Mal jährt, gilt vielen als langweiliger, biedermeierlicher Wortsetzer, als Naturdarsteller und Heimatdichter. Doch der als maßloser Esser und Trinker bekannte Autor von „Bunte Steine“, „Nachsommer“oder der Novellen „Brigitta“und „Witiko“hatte stets polarisiert: Zeitgenosse Friedrich Hebbel hasste, Friedrich Nietzsche verehrte ihn.
Und „Unruhe-stifter“Thomas Bernhard schimpft in seinem Roman „Alte Meister“: „Stifters Prosa ist alles andere als gestochen und sie ist die unklarste, die ich kenne, sie ist vollgestopft mit schiefen Bildern und falschen und verqueren Gedanken und ich wundere mich wirklich, warum dieser Provinzdilettant, der immerhin Schulrat in Oberösterreich gewesen ist, heute gerade von den Schriftstellern und vor allem von den jüngeren Schriftstellern (...) so geehrt wird. Ich glaube, diese Leute haben Stifter niemals wirklich gelesen.“
Einer, der ihn hingegen las und verehrte, war Thomas Mann: „Stifter ist einer der merkwürdigsten, hintergründigsten, heimlich kühnsten und wunderlich packendsten Erzähler der Weltliteratur. Hinter der stillen Genauigkeit seiner Naturbetrachtung ist eine Neigung zum Exzessiven, Elementar-katastrophalen wirksam.“
kann Stifters Leben auch einiges vorweisen: Vom früh verunglückten Vater, einer unglücklichen Liebe in Jugendjahren, der folgenden kinderlosen Ehe bis zum Selbstmord seiner Ziehtochter reicht die Unglückskette, die den schwer kranken Dichter schließlich im Alter von 62 Jahren Selbstmord begehen ließ.
Warum Stifter heute lesen? Nicht nur wegen der empfindsamen Sprache empfiehlt Alois Brandstetter die Lektüre, auch zum Thema „Entschleunigung“treffe Stifter heute den Nerv der Zeit. Eine Gemeinsamkeit zwischen den beiden Dichtern gibt es dann doch noch: So wie Stifter ist auch Alois Brandstetter ein begeisterter Maler. Veranstaltungen zum Jubilar u. a. im Stifterhaus Linz am 29. und
30. Jänner. www.stifter-haus.at