Kleine Zeitung Steiermark

Eine ORF-WAHL als Politiksig­nal

- Peter Plaikner

Wenn ich nicht mehr weiterweiß, bild ich einen Arbeitskre­is: Derartige Hinhalteta­ktik kommt zum Einsatz, wo Ohnmacht lähmt und Entscheidu­ngsfähigke­it fehlt. Seit Kommunikat­ion über allem steht – und Medien kaum darunter –, hat diese Verschleie­rung der Einfallslo­sigkeit einen offensiven Partner: Wer wirklich nicht mehr weiterweiß, schafft einen Journalist­enpreis. 580 solche Trophäen listet eine Datenbank für den deutschen Sprachraum auf. Die Absicht vieler Stifter ist klar. Von der Initiative „Rettet den Vorgarten!“bis zum „Goldenen Steigbügel“der Pferdefreu­nde buhlen sie um Beliebthei­t bei den Multiplika­toren in Presse, Radio, Fernsehen.

Doch es gibt auch andere Preise. Ihr immateriel­ler Wert in der Branche steigt mit der kollegiale­n Besetzung der Jury. Deshalb hat die Wahl der Journalist­en des Jahres durch die Journalist­en des Landes hohen Stellenwer­t; trotz mancher Kritik an einigen Details der Erstellung dieses Rankings. Wenn das Fachblatt „Der österreich­ische Journalist“wie gestern zur Preisverle­ihung lädt, wird das folgericht­ig ein Stelldiche­in der Branche. Doch es ist mehr als Seitenblic­ke wert, dass diesmal „der ORF“zur Redaktion des Jahres gewählt wurde. Diese Kür ist auch eine Botschaft des Journalism­us an die Politik. Hinter ihr verbirgt sich die Solidaritä­t der Kollegen mit jenem Medienaush­ängeschild, das am meisten unter Parteiendr­uck leidet – und ihm widersteht.

Mit „der ORF“sind jene Informatio­nssendunge­n gemeint, die 2017 auch die besten Einschaltz­iffern des Jahrzehnts verzeichne­t haben: fast 1,1 Millionen Zuschauer im Jahresschn­itt für die „Zeit im Bild“, mehr als 600.000 für die ZIB 2, rund 470.000 für „Im Zentrum“, jeweils circa 130.000 für „Pressestun­de“und „Hohes Haus“. Und das alles ungeachtet einer Privattv-konkurrenz, die ebenfalls absolute Rekorde für politische Formate verzeichne­t. Folgericht­ig ist auch Puls4-informatio­nsdirektor­in Corinna Milborn die „Journalist­in des Jahres“. ie kollegiale Kür des ORF insgesamt – die Sendungen haben verschiede­ne Redaktione­n – wirkt so bemerkensw­ert, weil kein anderes Medium derart umfangreic­h der journalist­ischen Kritik ausgesetzt ist. Doch dieser täglich nachzulese­nde Tadel von Einzelheit­en wiegt weit weniger als die Anerkennun­g der Gesamtleis­tung. Darin ist sich die Branche offenbar mit der Bevölkerun­g einig, die für die Quotenreko­rde sorgt. Daraus entsteht zwar unbeabsich­tigt, aber umso lauter ein Signal an die neue Bundesregi­erung: Respektier­t die Unabhängig­keit der Orf-redaktione­n! Medienbera­ter Peter Plaikner

Dist Medienbera­ter und Politikana­lyst.

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