Eine ORF-WAHL als Politiksignal
Wenn ich nicht mehr weiterweiß, bild ich einen Arbeitskreis: Derartige Hinhaltetaktik kommt zum Einsatz, wo Ohnmacht lähmt und Entscheidungsfähigkeit fehlt. Seit Kommunikation über allem steht – und Medien kaum darunter –, hat diese Verschleierung der Einfallslosigkeit einen offensiven Partner: Wer wirklich nicht mehr weiterweiß, schafft einen Journalistenpreis. 580 solche Trophäen listet eine Datenbank für den deutschen Sprachraum auf. Die Absicht vieler Stifter ist klar. Von der Initiative „Rettet den Vorgarten!“bis zum „Goldenen Steigbügel“der Pferdefreunde buhlen sie um Beliebtheit bei den Multiplikatoren in Presse, Radio, Fernsehen.
Doch es gibt auch andere Preise. Ihr immaterieller Wert in der Branche steigt mit der kollegialen Besetzung der Jury. Deshalb hat die Wahl der Journalisten des Jahres durch die Journalisten des Landes hohen Stellenwert; trotz mancher Kritik an einigen Details der Erstellung dieses Rankings. Wenn das Fachblatt „Der österreichische Journalist“wie gestern zur Preisverleihung lädt, wird das folgerichtig ein Stelldichein der Branche. Doch es ist mehr als Seitenblicke wert, dass diesmal „der ORF“zur Redaktion des Jahres gewählt wurde. Diese Kür ist auch eine Botschaft des Journalismus an die Politik. Hinter ihr verbirgt sich die Solidarität der Kollegen mit jenem Medienaushängeschild, das am meisten unter Parteiendruck leidet – und ihm widersteht.
Mit „der ORF“sind jene Informationssendungen gemeint, die 2017 auch die besten Einschaltziffern des Jahrzehnts verzeichnet haben: fast 1,1 Millionen Zuschauer im Jahresschnitt für die „Zeit im Bild“, mehr als 600.000 für die ZIB 2, rund 470.000 für „Im Zentrum“, jeweils circa 130.000 für „Pressestunde“und „Hohes Haus“. Und das alles ungeachtet einer Privattv-konkurrenz, die ebenfalls absolute Rekorde für politische Formate verzeichnet. Folgerichtig ist auch Puls4-informationsdirektorin Corinna Milborn die „Journalistin des Jahres“. ie kollegiale Kür des ORF insgesamt – die Sendungen haben verschiedene Redaktionen – wirkt so bemerkenswert, weil kein anderes Medium derart umfangreich der journalistischen Kritik ausgesetzt ist. Doch dieser täglich nachzulesende Tadel von Einzelheiten wiegt weit weniger als die Anerkennung der Gesamtleistung. Darin ist sich die Branche offenbar mit der Bevölkerung einig, die für die Quotenrekorde sorgt. Daraus entsteht zwar unbeabsichtigt, aber umso lauter ein Signal an die neue Bundesregierung: Respektiert die Unabhängigkeit der Orf-redaktionen! Medienberater Peter Plaikner
Dist Medienberater und Politikanalyst.