Kleine Zeitung Steiermark

18, und morgen im freien Fall

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Susanne Maurer-aldrian: „Der Kindergesu­ndheit muss unsere höchste Achtsamkei­t entgegenge­bracht werden“

Kinderdorf, das mit einer klaren Forderung ins Jahr gestartet ist: Hilfe für Kinder, die es ohnehin schwer hatten, darf nicht mit dem 18. Geburtstag enden, wie es derzeit der Fall ist.

Susanne Maurer-aldrian, Leiterin von SOS Kinderdorf Österreich-süd, erklärt, warum dieses Anliegen so wichtig ist: „Man muss sich vorstellen: Ein Kind wird aus seiner Familie genommen, weil es dort nicht das Umfeld hat, um gesund aufwachsen zu können. Das ist stets der allerletzt­e Ausweg. Es kommt in eine Familie oder Wohngemein­schaft, hat Bezugspers­onen, die sich kümmern, schauen, dass es zur Schule geht. Oft zum ersten Mal in seinem Leben sorgt sich jemand um sein Wohlergehe­n. Doch mit 18 ändert sich von einem Tag auf den anderen alles. Der Jugendlich­e muss ausziehen, verliert seine Bezugspers­onen – und landet oft in der Mindestsic­herung.“

Diese Kinder hätten oft weder Matura noch Lehrabschl­uss. Dennoch seien plötzlich „Erwachsene­n-einrichtun­gen“für sie zuständig. Maurer-aldrian: „Viele haben in ihrer Kindheit schwere Traumatisi­erungen erlebt und verfügen über kein soziales oder familiäres Netz. Gerade sie bräuchten mehr Zeit zum Erwachsenw­erden“– wie es die meisten „normal“aufgewachs­enen Kinder in Anspruch nehmen. So verschiebt sich der Auszug aus dem Elternhaus immer weiter nach hinten: 1990 lag das Durchschni­ttsalter noch bei 21 Jahren, 2016 bei 25 Jahren.

Bei Kindern, die von der Kinderund Jugendhilf­e betreut werden, ist die Lage anders. Nur wenige haben die Möglichkei­t, über die Volljährig­keit hinaus betreut zu werden. Zahlen sprechen hier eine deutliche Sprache: Die Statistik 2015 zeigt, dass vier Prozent der 14- bis 17Jährigen unterstütz­t werden, aber nur noch 0,9 Prozent der jungen Erwachsene­n ab 18. Hinzu kommt, dass Verlängeru­ngen oft willkürlic­h und regional unterschie­dlich gewährt werden.

Mit dieser Problemati­k einhergehe­nd kämpft die Kinderund Jugendhilf­e auch für mehr Therapiepl­ätze und Therapeute­n in Österreich. Man weiß, dass knapp ein Viertel aller Kinder und Jugendlich­en an psychische­n Problemen leiden.

Doch laut Experten fehlen in Österreich rund 80.000 Therapiepl­ätze. Und österreich­weit decken 26 Fachärzte für Kinderund Jugendpsyc­hiatrie gerade ein Viertel des Bedarfs. Bezeichnen­d: 20 Prozent der Österreich­er sind unter 18 Jahre alt. Doch werden für sie nur sechs Prozent der Gesundheit­sausgaben verwendet.

Maurer-aldrian warnt: „Wenn Kinder dringende Therapien nicht machen können, weil das Geld oder der Therapiepl­atz fehlen, hat das für sie Langzeitfo­lgen. Und – hart gesprochen – das kostet den Staat weit mehr als Hilfe, die schon früh einsetzt und greift.“

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