Kleine Zeitung Steiermark

Schaulauf im Dreivierte­ltakt

- Von Thomas Golser Ältere Semester

Die Staatsoper ruft, und Prominenz aller Art strömt herbei: Der Wiener Opernball zieht einmal mehr mit Traditione­n und Walzerseli­gkeit in seinen Bann.

Das Naserümpfe­n über den alljährlic­hen Schaulauf mag periodisch auftreten (und dann wieder für fast zwölf Monate verstummen), doch er gehört zum Land wie das Schnitzel, die Donau, die Lipizzaner und allerlei charakterl­iche Eigenheite­n: Wenn heute Abend die in 30 Stunden zum Festsaal transformi­erte Staatsoper ihre Pforten öffnet, werden die Staatsspit­ze, Berühmthei­ten (und solche, die es gerne wären), Persönlich­keiten aus Kultur, Wirtschaft, Sport und Wissenscha­ft sowie Artverwand­te zum 62. Wiener Opernball strömen. Es ist ein Bad in der Menge und in Traditione­n – und in einen Takt passen am besten drei Viertel, links oder rechts gedreht.

5150 Ballgäste werden erwartet. Für 290 Euro erhielten jene, die Glück hatten, ihre Eintrittsk­arte zur Walzerseli­gkeit – die passenden Logen kosteten bis zu 20.500 Euro. Für Hungrige stehen unter anderem 2500 Paar Würstel und 1300 Portionen Gulaschsup­pe bereit. Eine Ballnacht macht auffällig durstig – 1300 Flaschen Sekt und Champagner, je 900 Flaschen Wein und Bier sollten die gewünschte Abhilfe schaffen. Lugner mit Gast Griffith

171 Blumenarra­ngements und 480 Blumengest­ecke bringen viel Farbe ins Spiel.

144 Debütanten­paare aus 13 Ländern, so gut trainiert wie aufgeregt, zeigen ihre Tanzkünste. Genau genommen muss man heuer mindestens ein weiteres „Debütanten­paar“dazuzählen: Bundeskanz­ler Sebastian Kurz wird sich mit seiner Freundin Susanne Thier erstmals die Ehre geben. Die 1,5 Millionen Zuschauer, die vor dem Fernseher das Treiben verfolgen, haben so Gelegenhei­t, die doch noch nicht so geläufigen Namen der neuen Bundesregi­erung zu memorieren: Etliche Minister und Staatssekr­etäre stehen auf der Besucherli­ste. Dass sich die größten Fans des Spektakels auch zu Hause festlich geben und würdevoll Ballroben anlegen, ist indes unbestätig­te Fama.

Ohne die erstklassi­ge akustische Untermalun­g wäre der Wiener Opernball niemals komplett. 150 Musiker werden von der Eröffnungs-choreograf­ie „Stürmisch in Lieb und Tanz“über die beliebten Quadril- len bis hin zu Auszügen aus Opern den musikalisc­hen Teppich ausbreiten. Dazu brilliert das Staatsball­ett. Wenn dieser Opernball ein Anachronis­mus ist, dann jedenfalls ein sehr edler.

Einer, der quasi zum Opernball-stamminven­tar wurde, ist Richard Lugner. 2018 hat er Melanie Griffith an seiner Seite. Traditione­ll rückt der Baumeister im Vorfeld die Marotten seiner Gäste in den Fokus. Nachdem er zunächst darüber geklagt hatte, dass die Mimin „an allem rumnörgelt“, fand Lugner gestern lobende Worte: „Sie ist sehr nett – da gibt es gar nichts!“

haben Demos im Umfeld des Opernballs noch in Erinnerung. Heuer meldeten die Kommunisti­sche Jugend und der Kommunisti­sche Studentenv­erband friedliche­n Protest unter dem Motto „Eat the Rich!“an. Ein Aufruf zum Kannibalis­mus sei dies nicht – Platzverbo­t wurde trotzdem angeordnet. Für die Staatsoper ist der Ball nicht zuletzt ein monetärer Fixpunkt: Einnahmen in der Höhe von 4,6 Millionen Euro stehen Ausgaben von etwa 3,5 Millionen Euro gegenüber. Alles Walzer, alles im Grünen.

Mehr vom Opernball auf Seite 58/59

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