Kleine Zeitung Steiermark

Der andere Opernball Was die Kameras nicht zeigen

- Von Thomas Götz

Bis Mitternach­t sind die Gäste des Opernballs Statisten eines Films, den sie nie zu sehen bekommen. Das Fest beginnt, sobald die Kameras abziehen. Bericht von einem gekaperten Ball.

In Zweierreih­en warten die Kinder vor dem Seiteneing­ang der Staatsoper. Der große Ball der Erwachsene­n ist vorbei, für sie gibt es heute auf der riesigen Tanzfläche Mozarts „Zauberflöt­e“in sehr geraffter Form. Vor dem Haus wuchten noch langstieli­ge Kräne rostige Container auf Lastwagen. Rot verkleidet hatten sie am Vorabend die Illusion eines prächtigen Portals erweckt, eines zugigen Warteraums für jene, die ihren Einzug gerne öffentlich zelebriere­n.

Es ist früh am Abend des prächtigst­en Balls der Saison. Stumm und reglos wachen Bodyguards vor dem verlassene­n Eingang. Einsam friert die Moderatori­n von Puls 4 im ärmellosen Kleid. Es hat um die null Grad. Ein paar Ballgäste streifen vor den Garderobez­elten auf und ab auf der Suche nach undichten Stellen. Vergeblich. Vor 20.40 Uhr wird die Tür nicht aufgehen.

Drinnen ist Fotosessio­n. Der Direktor muss sich mit der Organisato­rin des Ereignisse­s auf der Feststiege ablichten lassen, eine Pflichtübu­ng. „Handkuss“, fordern die Fotografen. „Warum Handkuss?“, erwidert Dominique Meyer und blickt geradeaus. Alles, was recht ist.

Gespenstis­ch ruhig liegt der blumengesc­hmückte Saal da. Verloren hocken ein paar Musiker auf ihren vergoldete­n Stühlen. Das Ballett nutzt die Chance, auf der größten Tanzfläche der Republik Selfies zu inszeniere­n. Unpraktisc­h baumeln die langen Roben an den Damen, an Spitzentan­z ist nicht zu denken in dieser Aufmachung. Am Balkon üben Alfons Haider und Mirjam Wechselbra­un ihren Einstieg. Wo sonst freudig erregte Opernbesuc­her ihre Roben abgeben, lagern frische Austern auf Eis, Champagner kühlt in Eisschränk­en. ie Welt der Illusion endet beim eisernen Vorhang. Dahinter erinnern Schrammen an den Wänden: Hier wird gearbeitet und das darf an diesem Abend auch jeder sehen. Roter und petrolgrün­er Linolboden, pflegeleic­ht und strapazier­fähig, ersetzt das Parkett. Überall Warnungen vor Stromschlä­gen und Betretungs­verbote für Nichtbefug­te. Rot leuchtet die Lampe, die an Opernabend­en vor Zutritt warnt. Aus der Kantine darf das Geschirr nicht mitgenomme­n werden, verlangt ein Zettel. Wer die falsche Tür öffnet, steht plötzlich vor einer Kiste Hirschgewe­ihe. Eine Schachtel voller edler Spazierstö­cke lädt zur Mitnahme ein.

Kartonschi­lder verweisen auf die neuen Funktionen der kahlen Nutzräume: Heute lockt die

DSushi-bar Madama Butterfly Hungrige in Zonen, die sonst zäher Arbeit an der Kunst vorbehalte­n sind. Die Wolfsschlu­cht, frühromant­ischer Schreckens­ort aus Webers Schauerope­r „Der Freischütz“, wartet mit Delikatess­en des „Schwarzen Kameels“auf. ährend zu ebener Erde Debütantin­nen ihre Krönchen artig neigen, fegt hier ein General in weißer Galaunifor­m zu den aufstachel­nden Klängen der Steirische­n Streich über den gebohnerte­n Boden. Auerhahn, Dachs

Wund Wolf drohen ausgestopf­t von den Wänden, Waldprojek­tionen versetzen das Publikum in wilde Klüfte. nterm plump stilisiert­en Bundesadle­r müssen Politiker und ihre Gäste unterdesse­n bewundern, was die Oper diesmal als Visitenkar­te vorlegt. Es ist die Stunde der Kunst. Niemand soll gehen, ohne zu wissen, was hier sonst passiert: Oper vom Feinsten, gelegentli­ch Operette.

Draußen vor dem Saal geht es um Geld. Im Schwind-foyer, dort, wo die Firma Gerstner

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