Kleine Zeitung Steiermark

Echte Aufarbeitu­ng oder Mogelpacku­ng?

- Michael Jungwirth

Die FPÖ will heute Zusammense­tzung der Historiker-kommission bekannt geben.

Unter dem Eindruck des Ns-liederbuch­skandals in der Burschensc­haft Germania hatte FPÖ-CHEF Heinzchris­tian Strache erst kürzlich auch im Interview mit der Kleinen Zeitung für die Einsetzung einer Historiker-kommission plädiert. Diese sollte die Geschichte des Dritten Lagers „aufarbeite­n“und sich „schonungsl­os mit den

Fehlern der eigenen Vergangenh­eit“aus- einanderse­tzen. Das sei ihm ein „ehrliches und aufrichtig­es Anliegen“, versichert­e der Vizekanzle­r im Gespräch.

Heute will die FPÖ die Zusammense­tzung der Kommission bekannt geben. Wie schonungsl­os die eigene Vergangenh­eit aufgerollt wird, bleibt abzuwarten. Dem Vernehmen nach soll der Fpö-nahe Historiker

Lothar Höbelt eine Schlüsselr­olle spie- len. „Höbelt ist eine ambivalent­e Figur“, kommentier­t Dieter

Binder, der sich mit der Historie der Korporatio­nen eingehend befasst hat, das Gerücht. „Höbelt kann exquisit wissenscha­ftlich arbeiten. Wenn er sich von der Partei einspannen lässt, ist es nicht viel mehr als eine Beruhigung­spille.“

Weniger drastisch formuliert es ein anderer Zeithistor­iker, Stefan Karner. „Die Kommission sollte personell breit aufgestell­t sein und wissenscha­ftlich alle Freiheiten besitzen.“Karner spricht sich dafür aus, dass „aktuelle Fragestell­ungen“, wie etwa der Einfluss der Burschensc­haften auf die FPÖ, die Netzwerke des Dritten Lagers, das Verhältnis zum Verbotsges­etz, das Bekenntnis zur deutschen Kulturgeme­inschaft oder auch das Liedgut „mit historisch­em Rückbezug“, bearbeitet werden. Binder wirft auch „die Frage des Antisemiti­smus in Kombinatio­n mit der latenten Neigung des Dritten Lagers zu Verschwöru­ngstheorie­n“auf.

Für eine seriöse Aufarbeitu­ng der blauen Vergangenh­eit veranschla­gt Karner ein Jahr, Binder zwei Jahre. „Die Kommission sollte eine vernünftig­e Diskussion­sgrundlage vorlegen, wobei entscheide­nd ist, dass sie personell nicht als Feindbild eingesetzt wird und von der Autorität und den analytisch­en Fähigkeite­n der Forscher getragen wird“, so Binder.

Historiker­kommission­en haben in Österreich eine lange Tradition. 1998 setzte die Große Koalition eine Kommission ein, die die Grundlage für die umfassende­n Restitutio­nen lieferte. Die aus internatio­nalen Forschern gebildete Waldheim-kommisson fand keine Belege für eine Verwicklun­g des damaligen Präsidente­n in Ns-verbrechen, räumte aber ein, dass Waldheim seine eigene Biografie geschönt habe. Dieter Binder: „Keine Feindbilde­r“ Stefan Karner: „Breit aufgestell­t“

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