Höhenflug für wenige Sekunden
Das Eis ist üblicherweise nicht das angestammte Habitat des Menschen. Die ungelenke Rutschpartie ist nämlich der natürliche Feind aller Grandezza. Aber so ist der Mensch nicht gepolt. Von Stolperfallen lässt er sich nur ganz kurz aufhalten – bis er sich ein Herz fasst und es doch probiert. Wieder und wieder und wieder. Diese Verhaltensweise hat viele Gesichter, aber gerade im Sport wird die Disziplin „Höhenflug“wie kaum woanders zelebriert. Es geht darum, über seine Grenzen hinauszuwachsen. Und Grenzen kennt der Mensch genug. Zwar stehen wir theoretisch am Beginn der Nahrungskette, aber gegen tierische Supersportler wie Gepard, Schwertfisch oder Springfrosch bleibt der Mensch einfach auf der Strecke. Aber der Mensch, er ist beharrlich. Er bleibt am Ball und lernt. Nehmen wir den Pinguin: an Land ein Clown, im Wasser ein Ikarus. Warum nicht auch groß denken? Sich auf das glatte Parkett wagen und die Erdanziehungskraft für eine Sekunde überwinden?
Es ist ein Traum von ungeheurer Leichtigkeit, den die beiden kanadischen Eiskunstläufer Kirsten Moore-towers und Michael Marinaro bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang auf das Eis gelegt haben. Aber es ist eine trügerische Leichtigkeit, wie sie die meisten Profisportler gerne wie ein Superheldencape umgibt. Denn jeder einzelne Höhenflug wird zuvor mit vielen Niederlagen bezahlt. Und wie man es auch dreht und wendet – man trainiert viele Jahre, für ein paar wenige Minuten, in denen man zwischen zwei Polen hin- und hergeschleudert wird: dem Sieg und der Niederlage. So gesehen haben Kirsten Moore-towers und Michael Marinaro verloren, sie sind im Paarlauf Elfte geworden. So mögen es Statistiker und Medaillenzähler sehen. Aber für uns ungelenke Pinguine an Land sind jene die wahren Überflieger, die aus unbändiger Neugierde über ihre Grenzen hinauswachsen.
Und so zeigt sich wieder einmal recht eindeutig, dass des Menschen beste Gangart der Fortschritt und nicht der Rückschritt ist.