Kleine Zeitung Steiermark

Strenges Regiment

- Michael Jungwirth

Erstmals seit ewigen Zeiten gibt die Koalition ein Bild der Geschlosse­nheit nach außen hin ab. Intern herrscht ein strenges Regime.

WTürkis-blauer Paarlauf beim Ministerra­t: Strache und Kurz

er hat je Bilder gesehen, wie Werner Faymann, Christian Kern oder Sebastian Kurz aus ihrem dicken Dienstwage­n aussteigen? Solche Aufnahmen sind eine Rarität, weil Heerschare­n von Medienbera­tern darauf achten, ihre Chefs ins richtige Licht zu rücken. Und so bleiben die Limousinen – oder der SUV von Heinzchris­tian Strache – 200 Meter früher stehen, damit Kanzler, Vizekanzle­r, Minister munteren Schrittes auf die Kameras zugehen – und nicht im fetten Auto vorfahren. nter Türkis-blau hat die Inszenieru­ng eine neue Qualität erreicht. Während früher Minister nach Gutdünken Interviews gaben, Kommentare ablieferte­n, sobald ihnen ein Mikrofon hingestrec­kt wurde, und so der Eindruck der großkoalit­ionären Kakophonie entstand, herrscht heute ein strenges Regime. Nach einem Masterplan wird jede Woche zumindest ein inhaltssch­weres Thema „aufgespiel­t“. Diese Woche waren es die 2100 zusätzlich­en Polizisten, zuvor Deutsch vor Schuleintr­itt, Familienbo­nus, Unibeschrä­nkungen, Entlastung. Dem Bürger

Usoll vermittelt werden, dass mit Hochdruck türkis-blaue Kernthemen abgearbeit­et werden. inutiös geplant werden auch die Medienauft­ritte der 16-köpfigen Mannschaft, wer welcher Zeitung ein Interview gibt, wer wann in die ZIB 2, die Pressestun­de, ins „Journal zu Gast“geht. Und vorbei sind die Zeiten, wo sich jeder beim Ministerra­t einem journalist­ischen Spießruten­lauf unterziehe­n musste. Durch eine Kordel von den Medienvert­retern separiert, tritt nur vor die Kamera, wer was zu sagen hat. Türkisblau­e Doppelauft­ritte sind die Regel, um Geschlosse­nheit nach außen zu dokumentie­ren. Die Fäden laufen bei Gerald Fleischman­n, Kurz’ medialer Allzweckwa­ffe, zusammen. „Message control“nennt sich das neudeutsch. „Unter Kern und Mitterlehn­er machte jeder, was er wollte“, erzählt ein Insider. „Da erfuhren manchmal der Kanzler oder Vizekanzle­r erst aus der Zeitung, dass einer der Minister was gesagt hatte.“Diese Kakophonie spiegelte die innere Zerrüttung der alten Koalition wider und brach dieser schließlic­h das Genick. Im Grunde genommen

Mwird jetzt nachgeholt, was in Unternehme­n gang und gäbe ist: eine Profession­alisierung der Medienarbe­it. Es entspricht auch dem Selbstvers­tändnis des Kanzlers, der politisch ein Kontrollfr­eak ist, nichts dem Zufall überlässt, Unvorherge­sehenes scheut, anderersei­ts im Umgang mit Journalist­en, die sich an die Spielregel­n der Vertraulic­hkeit halten, einen offenen Diskurs pflegt. Da sei nur erinnert, dass Emmanuel Macron, der Inbegriff der Weltoffenh­eit, dem „Le Monde“noch kein einziges (!) Interview seit Amtsantrit­t gegeben hat. och in der Koalition regt sich Widerstand. „Es herrscht ein Angstregim­e vor“, enthüllt ein Insider. „Der Druck ist enorm, keine Fehler zu machen.“Die jüngsten Turbulenze­n um Liederbüch­er, Antiorf-postings, die den Masterplan konterkari­eren, hätten die Lage noch verschärft. Erschweren­d kommt dazu, dass 15 der 16 Minister keine Regierungs­erfahrung besitzen – inklusive vieler Mitarbeite­r. „Besser wäre es, wenn man den Leuten unter die Arme greift, statt sie bei Fehlern zu maßregeln.“

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