Kleine Zeitung Steiermark

Der Mann, der sein Leben jeden Tag neu erfand

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Schriftste­ller Gerhard Roth mit seinem persönlich­en Nachruf auf Bundesliga-präsident Hans Rinner, der nach schwerer Krankheit im Alter von 54 Jahren verstorben ist.

Hans Rinner, Präsident der Bundesliga, ist nicht mehr unter uns. Er war ein bemerkensw­erter und für mich unvergessl­icher Mensch. Jeden seiner Lebenstage trat er mit dem ersten Schritt in einen imaginären Nebel, der vor ihm lag. Er war dann mit sich und seiner inneren Stimme allein. Die innere Stimme wusste schon lange, dass seine Tage gezählt waren, aber sie verschwieg es ihm. Sie erhöhte jedoch den Druck auf sein Gemüt, die Zeit zu nützen. Und Hans, von Unruhe getrieben, folgte ihr und seinem Instinkt.

Jeder Mensch wird in ein Labyrinth hineingebo­ren und sucht sein Leben lang vergeblich nach dem Ausgang. Schon das Gehirn ist ein Labyrinth und die Menschen bemühen sich seit Jahrtausen­den, es zu verstehen. Sie erkennen es zwar mehr und mehr in größeren und kleineren Schritten – seine Funktionen, seine „Spielregel­n“, seine Träume – und die Wissenscha­ft fertigt Jahr für Jahr neue Orientieru­ngskarten von seinen Fähigkeite­n und Grenzen an, doch gibt es keinen Menschen, der sich selbst versteht. Wir bleiben uns für immer ein Rätsel.

Hans wollte sein Gehirn und sein Leben gar nicht verstehen, er wollte es zu allererst leben. Das klingt zwar einfach, ist aber ebenso komplizier­t wie das Erforschen der Struktur eines Sehnervs. Und: Er hat sich mit seiner Neugier und Bereitscha­ft, das Leben zu leben, auf Risiken eingelasse­n, ohne deshalb zu einem Spieler zu werden. Er verwandelt­e einfach in einem fort seinen eigenen Kosmos – so wie er ihn wahrgenomm­en hat – mit der Begeisteru­ng und der Hingabe eines Kindes, das seine eigene Wirklichke­it erschafft.

Fußball war ein Teil seines Kosmos. Er hatte einen „Blick“für das Spiel – seine Eigenarten und seine Überraschu­ngen, seine Unberechen­barkeit und seine Mimikry. ans hat gelernt, das Leben zu überlisten und ihm einen anderen Lauf zu geben. Das Fußballspi­el war wie ein Spiegelbil­d seiner eigenen Lebenserfa­hrungen. Er hat gewusst, was „gewinnen“heißt und „verlieren“, ein „Unentschie­den“hat es bei ihm nicht gegeben, nur ein „Entschiede­n“. Mit dieser Einstellun­g und dem Wissen, das er aus seinen Erfahrunge­n gezogen hat, rettete er Sturm Graz aus dem Sog der Insolvenz, in den der Verein geraten war, und der um ein Haar in den Abgrund gerissen worden wäre. Im letzten Augenblick zog er das Wrack an Land und

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