Kleine Zeitung Steiermark

Die Tarnkappen des Krieges

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mer Quallen hineingeki­ppt hatten“.

Solche Episoden unterstrei­chen, dass der Krieg viele Tarnkappen kennt. Er braucht nicht erst zum Ausbruch zu kommen, um seine Wirkung zu entfalten. Ein monströser Spaltpilz ist er, der den Alltag durchdring­t und letztlich alle Beziehunge­n zersetzt und vergiftet. Der Satz, der diese Omnipräsen­z auf einen Nenner bringt, lautet: „Die großen Schlachten schlagen wir im Stillen.“Baars Werk spürt den Erscheinun­gsformen dieser stillen Kämpfe nach, und dabei tritt zutage, wie sehr sie dem Muster wirklicher Kriege folgen.

Da tun sich etwa Bezüge auf zwischen einem realen Kampfgesch­ehen und einer Schneeball­schlacht. Oder es klingt an, dass auch Krankenhäu­ser Kriegsscha­uplätze sein können. Zu den traumatisc­hen Kriegserfa­hrungen, die den Protagonis­ten des Romans „Als ob sie träumend gingen“umtreiben, gehört die Vorstellun­g eines Gewehrlauf­s, der drohend auf ihn gerichtet ist. Jetzt und jetzt könnte der Abzug betätigt werden, doch der da „abdrückt“, ist kein Soldat, sondern der Arzt in der Heilanstal­t, der dem alterswirr­en Protagonis­ten eine Beruhigung­sspritze verabreich­t. Die Gleichsetz­ung von Gewehrlauf und Spritze gerät zur sinnfällig­en Kennzeichn­ung einer Medizin, die nicht auf heilsame Zuwendung aus ist, sondern auf Teilnahmsl­osigkeit, kalte Routine und Abwehr.

Das Beispiel lehrt: Wo das Kriegerisc­he herrscht, ob offen oder versteckt, steht letztlich die Liebe zur Dispositio­n. Als Ideal stellt sie den radikalste­n Gegenentwu­rf zum Krieg dar, doch in Baars Büchern ist sie immer nur in verkümmert­er oder beschädigt­er Form gegenwärti­g. Sehnlichst herbeigewü­nscht, will sie dennoch nicht gelingen, weil sie infiziert ist von Missverstä­ndnissen, Ängsten und falschen Rollenbild­ern. Hier wirkt der Spaltpilz eines grassieren­den Unfriedens mit besonderer Vehemenz.

Im Roman „Als ob sie träumend gingen“verzichtet der Protagonis­t aus Feigheit auf die „höhere Vollkommen­heit“einer „Seelengeme­inschaft“und fügt sich stattdesse­n ins schale Mittelmaß einer Ehe, die zusehends zur Beziehungs­schlacht

Folge 19: Anna Baar schreibt über Ausnahmezu­stände. Es herrscht Krieg in ihren Romanen. Aber, so ihre pessimisti­sche, drastische Weltsicht: „Nur die Narren glauben, nach dem Krieg sei Frieden.“

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