Der neue Kaiser von China
Xi Jinping ist auf dem Weg zur Alleinherrschaft. Am Sonntag lässt sich Chinas Präsident vom Volkskongress mit unbeschränkter Machtfülle ausstatten. Im Reich der Mitte geht eine Ära der politischen Modernisierung zu Ende – mit Folgen für Europa.
Präsident Xi Jinping ist bereits einer der mächtigsten Politiker unserer Zeit – ab dieser Woche wird er noch mächtiger. Am kommenden Wochenende wird der Nationale Volkskongress in Peking auf seinen Antrag hin die Verfassung ändern: Xi verlangt von Chinas gelenktem Parlament diesmal zwei Verfassungsänderungen mit großer Wirkung. Er will Limits für seine Wiederwahl aufheben lassen, um beliebig lange im Amt bleiben zu können. Und er will dem Kampf gegen die Korruption Verfassungsrang geben – in Form einer allmächtigen „Kontrollkommission“, deren Vorsitz er aller Wahrscheinlichkeit nach persönlich übernimmt.
Damit stellt sich vielen Beobachtern die Frage: Ist Xi noch Präsident oder schon Kaiser? Sein Politikstil erinnert mehr und mehr an die Feudalzeit. Das Bild, das Xi bei alldem abgibt, verwirrt. Denn er wirkt nicht wie ein zackiger oder machtlüsterner Diktator. Er spricht weiterhin gelassen und gemütlich und wirkt ebenso freundlich wie rational. Genau hier liegt seine Stärke: Er hat still und geschickt die Staatsgewalt auf sich konzentriert, bis niemand mehr Widerspruch wagte. Als er 2012 Generalsekretär der Kommunistischen Partei wurde, haben ihn seine Freunde und Feinde weit unterschätzt. Keiner ahnte, was kommen würde. i hat die Wechselfälle der Politik von Kindheit auf erfahren. Sein Vater war Gründungsmitglied der Kommunistischen Partei und brachte es zum stellvertretenden Ministerpräsidenten. Doch dann missfiel seine kritische Haltung Diktator Mao Zedong. Vater Xi verlor alle Ämter, Sohn Jinping musste zur ideologischen Umerziehung aufs Land und verbrachte seine Jugend unter Bau-
Xern. Später stieg der Vater erneut auf, stürzte jedoch Ende der Achtzigerjahre erneut. Nun steht der Sohn nach einem Marsch durch die Ämter selbst ganz oben. Er ist offenbar entschlossen, sich die Macht nicht wieder wegnehmen zu lassen. hina, eine Diktatur: Das ist an sich nichts Neues. Dennoch ist die Machtübernahme durch Xi Jinping von erheblicher Bedeutung. China steht als global einflussreiches Land unter Beobachtung. Doch hinter der aktuellen Entwicklung steckt noch viel mehr. Sie hat eine tragische Dimension. Denn innerhalb des Einparteienstaates tickte bisher ein fein austariertes Uhrwerk des Ausgleichs verschiedener Interessen und der Machtkontrolle. Unter Xi gleitet dieses autoritäre System nun in banalen Despotismus ab.
Von solchen Unterschieden hängt ab, ob wir es mit einem modernen, aufgeklärten China
Czu tun haben oder mit einer polierten Neuauflage der maoistischen Diktatur. Dieser Unterschied zählt. Europas Wirtschaft ist mit der chinesischen inzwischen unauflösbar verbunden. Auf die Milliardeninvestitionen der europäischen Industrie in Fernost folgen derzeit die Gegeninvestitionen. China geht zudem bei der Digitalisierung weltweit voran und hat nicht zuletzt die größte Bevölkerung der Welt und die zweitstärkste Armee. Schon eine kleine Verschiebung in seine Politik kann große Auswirkungen auf den Planeten haben. ie chinesische Regierung stellt ihren Machterhalt über die Menschenrechte. Trotzdem wirkte das Land vier Jahrzehnte lang wie ein Hort der Rationalität. Das lag an einer Organisation des Staates, die zunehmend von Regeln geprägt war. Der chinesische Staatschef konnte nicht einfach
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