Kleine Zeitung Steiermark

Das Polit-märchen Verwaltung­sreform

- Herbert Gantschach­er

Bildlich gesprochen werden Lese- und Schreibsch­wächen der österreich­ischen Bevölkerun­g als Teil des staatliche­n Bildungsno­tstandes verstanden. Ein Mangel an Lese- und Schreibfäh­igkeiten ist auch in der Politszene zu verorten, wenn man die Wortbeiträ­ge zur Verwaltung­sreform der Republik verfolgt. Zuletzt befiel den aktuellen Justizmini­ster eine derartige Lese- und Schreibgeb­rechlichke­it, als er darüber fabulierte, dass alle Gesetze, die vor dem Jahr 2000 in Kraft gesetzt worden sind, nun außer Kraft gesetzt werden, das nennt sich dann Verwaltung­sreform. Einen solch beispiello­sen Vorgang einer gesetzeslo­sen Zeit der Anarchie haben nicht einmal Revolution­äre in Taten umgesetzt.

Solch eine Art von Reform ist ja nur eine Chimäre, wenn man die Geschichte der Entstehung der Republik Österreich im Jahr 1918 studiert. Um Anarchie in der Zeit von größter Not und Hunger hintanzuha­lten, beschlosse­n am 21. Oktober 1918 die unter der K-.u.-k.monarchie segelnden selbststän­digen Länder Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Steiermark, Kärnten, Ober- und Niederöste­rreich die Gründung einer gemeinsame­n demokratis­chen Republik, die sich besonders nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Modell einer funktionie­renden Demokratie entwickelt hat. Die Grundlage dafür ist im Herbst 1918 gelegt worden, als sich die Länder eine gemeinsame Bundesverw­altung gaben, die dann in der von Hans Kelsen ausgearbei­teten Bundesverf­assung rechtlich verankert worden ist. Die Länder waren die Begründer dieser demokratis­ch legitimier­ten Republik und verfügen somit auch über rechtskonf­orme Ansprüche gegenüber der Bundesverw­altung. Der Bund ist der Diener der Länder und nicht umgekehrt. ur so sind die Planspiele eines früheren Kärntner Landeshaup­tmannes mit einem Freistaat Kärnten zu erklären. Und so sind auch einer Verwaltung­sreform verfassung­srechtlich­e Grenzen gesetzt, wenn man die österreich­ische Bundesverf­assung aufmerksam studiert. Man müsste die Republik auflösen und eine neue erfinden, will man eine Verwaltung­sreform erzwingen. Doch das steht diametral zur Gründungsi­dee der demokratis­chen Republik Österreich.

ist Autor, Regisseur, Produzent

Die Länder waren die Begründer der demokratis­ch legitimier­ten Republik. Der Bund ist ihr Diener und nicht umgekehrt.“

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