Kleine Zeitung Steiermark

„Was ist falsch daran zu träumen?“

- Von Steffen Rüth

Rocksänger David Byrne über seine neue CD „American Utopia“, über sein Schummeln bei Us-wahlen und über eine stinksaure Tanzpartne­rin.

Bringen wir es gleich hinter uns: Wird es noch irgendwann eine Wiedervere­inigung der Talking Heads geben? DAVID BYRNE: Kann ich nur bezweifeln. Ich stecke voll drin in alldem, was ich aktuell tue. Was Nostalgie angeht, bin ich sehr skeptisch. Immer schon gewesen. Sie führt zu nichts. Die Zukunft ist für mich spannender als die Vergangenh­eit.

Sie besitzen seit 2016 neben der britischen auch die Usstaatsbü­rgerschaft. Warum?

Die eine Hälfte meiner Bekannten denkt, ich hätte das irgendwie aus einer antizyklis­chen Laune heraus gemacht. So nach dem Motto: Wenn hier in diesem Land, in dem ich den Löwenantei­l meines Lebens verbracht habe, schon alles den Bach runtergeht, dann werde ich doch schnell noch Mitglied. Und die andere Hälfte glaubt, ich hätte mithelfen wollen, Trump zu verhindern.

Ist aber nicht so?

Nein. Weder das eine noch das andere. Ich wollte in Wahrheit schon bei der vorletzten Wahl Amerikaner werden, um Barack Obama zu wählen. Offiziell.

Anstelle von … inoffiziel­l?

Ganz genau (lacht laut). Ich habe mich schon oft in den USA an Wahlen beteiligt, aber das war dann halt stets ein illegaler Akt. In den Wahlbüros habe ich immer bloß meinen Führersche­in gezeigt. Irgendwann meinte dann aber doch einmal jemand: „Sie sind überhaupt kein Staatsbürg­er, Sie haben nur eine Green Card.“Ich sagte: „Stimmt.“

Gab es Ärger?

Überhaupt nicht. Ich habe das auch längst wiedergutg­emacht, indem ich vor zwei Jahren in Charlotte/north Carolina dafür warb, dass sich die Menschen in Wahllisten eintragen, um die Geschicke ihres Landes mitzubesti­mmen. Und ich habe mich mit dem Bürgermeis­ter von New York getroffen, um mit ihm darüber zu sprechen, wie immens wichtig Kunst und Kultur für ein Gemeinwese­n sind, ganz besonders in den benachteil­igten Vierteln. Man kann das an Zahlen belegen: Ein gutes kulturelle­s Angebot senkt die Kriminalit­ätsrate, es verbessert die Schulnoten der Kinder, ja es werden sogar weniger Jugendlich­e fettleibig. Die haben dann einfach mehr Möglichkei­ten, ihre Freizeit zu verbringen, als vor dem Fernseher. Kunst ist nicht nur Unterhaltu­ng. Sie hat einen tieferen Effekt.

Haben Sie eigentlich je Bekanntsch­aft mit Präsident Donald Trump gemacht?

Nein, nie. Muss auch nicht sein. Ich halte ihn auch nur für ein Symptom, er ist nicht die Ursache. Trump ist sicher ziemlich verrückt, aber gefährlich­er finde ich es, wie viele republikan­ische Parteifreu­nde ihm blindlings folgen, nur um sich an der Macht zu halten.

Ihr neues Album heißt „American Utopia“, parallel haben Sie den Vortrag „Reasons To Be Cheerful“(„Gründe, um frohen Mutes zu sein“) entwickelt. Sind Sie ein Utopist? Gar ein Träumer?

Was wäre so schlimm und so falsch daran, zu träumen? Die Titel beider Projekte sind schon ein bisschen provokant, das will ich einräumen. Amerika ist ja aktuell der letzte Ort, von dem man denken würde, dass sich dort die Utopien verbreiten. Aber ich versuche, optimistis­ch zu sein und an eine gute Zukunft zu glauben. Es ist ein stetiger Kampf.

Welches Projekt begannen Sie denn zuerst?

Das geschah praktisch gleichzeit­ig. Ich bin mir auch nicht mehr sicher, was genau der Auslöser war. Jedenfalls passierte das alles noch vor der Präsidents­chaftswahl. Zumindest in den Vereinigte­n Staaten konnte man mitverfolg­en, wie die Regierung versagte, wie die Gräben innerhalb der Gesellscha­ft breiter und breiter wurden.

Es gibt düstere Songs auf dem Album, ein sehr ernstes über Flüchtling­e, manche sind aber auch einfach lustig, wie „I Dance Like This“. Können Sie tanzen?

Die einen sagen so, die anderen so. Ich finde, ja. Meine Musik ist seit jeher ziemlich rhythmisch, von daher habe ich schon ein Händchen für Bewegung. Neulich war ich in Brooklyn bei so einem Balkantanz­abend. War witzig. Alle hielten sich an den Händen und tanzten im Kreis. Ich mittendrin, bis eine alte Frau mitten im Tanz meine Hand losgelasse­n hat und stinksauer abhaute. Irgendwas muss ich wohl falsch gemacht haben.

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„Ich versuche immer, an eine gute Zukunft zu glauben“: David Byrne WARNER
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