„Was ist falsch daran zu träumen?“
Rocksänger David Byrne über seine neue CD „American Utopia“, über sein Schummeln bei Us-wahlen und über eine stinksaure Tanzpartnerin.
Bringen wir es gleich hinter uns: Wird es noch irgendwann eine Wiedervereinigung der Talking Heads geben? DAVID BYRNE: Kann ich nur bezweifeln. Ich stecke voll drin in alldem, was ich aktuell tue. Was Nostalgie angeht, bin ich sehr skeptisch. Immer schon gewesen. Sie führt zu nichts. Die Zukunft ist für mich spannender als die Vergangenheit.
Sie besitzen seit 2016 neben der britischen auch die Usstaatsbürgerschaft. Warum?
Die eine Hälfte meiner Bekannten denkt, ich hätte das irgendwie aus einer antizyklischen Laune heraus gemacht. So nach dem Motto: Wenn hier in diesem Land, in dem ich den Löwenanteil meines Lebens verbracht habe, schon alles den Bach runtergeht, dann werde ich doch schnell noch Mitglied. Und die andere Hälfte glaubt, ich hätte mithelfen wollen, Trump zu verhindern.
Ist aber nicht so?
Nein. Weder das eine noch das andere. Ich wollte in Wahrheit schon bei der vorletzten Wahl Amerikaner werden, um Barack Obama zu wählen. Offiziell.
Anstelle von … inoffiziell?
Ganz genau (lacht laut). Ich habe mich schon oft in den USA an Wahlen beteiligt, aber das war dann halt stets ein illegaler Akt. In den Wahlbüros habe ich immer bloß meinen Führerschein gezeigt. Irgendwann meinte dann aber doch einmal jemand: „Sie sind überhaupt kein Staatsbürger, Sie haben nur eine Green Card.“Ich sagte: „Stimmt.“
Gab es Ärger?
Überhaupt nicht. Ich habe das auch längst wiedergutgemacht, indem ich vor zwei Jahren in Charlotte/north Carolina dafür warb, dass sich die Menschen in Wahllisten eintragen, um die Geschicke ihres Landes mitzubestimmen. Und ich habe mich mit dem Bürgermeister von New York getroffen, um mit ihm darüber zu sprechen, wie immens wichtig Kunst und Kultur für ein Gemeinwesen sind, ganz besonders in den benachteiligten Vierteln. Man kann das an Zahlen belegen: Ein gutes kulturelles Angebot senkt die Kriminalitätsrate, es verbessert die Schulnoten der Kinder, ja es werden sogar weniger Jugendliche fettleibig. Die haben dann einfach mehr Möglichkeiten, ihre Freizeit zu verbringen, als vor dem Fernseher. Kunst ist nicht nur Unterhaltung. Sie hat einen tieferen Effekt.
Haben Sie eigentlich je Bekanntschaft mit Präsident Donald Trump gemacht?
Nein, nie. Muss auch nicht sein. Ich halte ihn auch nur für ein Symptom, er ist nicht die Ursache. Trump ist sicher ziemlich verrückt, aber gefährlicher finde ich es, wie viele republikanische Parteifreunde ihm blindlings folgen, nur um sich an der Macht zu halten.
Ihr neues Album heißt „American Utopia“, parallel haben Sie den Vortrag „Reasons To Be Cheerful“(„Gründe, um frohen Mutes zu sein“) entwickelt. Sind Sie ein Utopist? Gar ein Träumer?
Was wäre so schlimm und so falsch daran, zu träumen? Die Titel beider Projekte sind schon ein bisschen provokant, das will ich einräumen. Amerika ist ja aktuell der letzte Ort, von dem man denken würde, dass sich dort die Utopien verbreiten. Aber ich versuche, optimistisch zu sein und an eine gute Zukunft zu glauben. Es ist ein stetiger Kampf.
Welches Projekt begannen Sie denn zuerst?
Das geschah praktisch gleichzeitig. Ich bin mir auch nicht mehr sicher, was genau der Auslöser war. Jedenfalls passierte das alles noch vor der Präsidentschaftswahl. Zumindest in den Vereinigten Staaten konnte man mitverfolgen, wie die Regierung versagte, wie die Gräben innerhalb der Gesellschaft breiter und breiter wurden.
Es gibt düstere Songs auf dem Album, ein sehr ernstes über Flüchtlinge, manche sind aber auch einfach lustig, wie „I Dance Like This“. Können Sie tanzen?
Die einen sagen so, die anderen so. Ich finde, ja. Meine Musik ist seit jeher ziemlich rhythmisch, von daher habe ich schon ein Händchen für Bewegung. Neulich war ich in Brooklyn bei so einem Balkantanzabend. War witzig. Alle hielten sich an den Händen und tanzten im Kreis. Ich mittendrin, bis eine alte Frau mitten im Tanz meine Hand losgelassen hat und stinksauer abhaute. Irgendwas muss ich wohl falsch gemacht haben.