Kleine Zeitung Steiermark

100 JAHRE

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Fortsetzun­g von Seite 11

auf meinem Schreibtis­ch, und die österreich­ische Geschichts­wissenscha­ft arbeitet sich bis heute an der Einordnung dieser Ereignisse durchaus noch immer kontrovers­iell ab. Internatio­nal aber wurde der Februar 1934 zum Symbol. Er gilt als das erste Wehren gegen die faschistis­chen Tendenzen in Europa und als Zeichen, dass eine nicht gespaltene Arbeiterbe­wegung bereit war, gegen den Faschismus aufzustehe­n. Im Spanischen Bürgerkrie­g nannte sich eine internatio­nale Brigade „12. Februar“, und Anna Seghers setzte Koloman Wallisch ein eindrückli­ches literarisc­hes Denkmal. ie Regierung verbot die Sozialdemo­kratie, die freien Gewerkscha­ften und alle Nebenorgan­isationen der Bewegung, sogar den Arbeiter-samariterb­und. Sie verhaftete den sozialdemo­kratischen Bürgermeis­ter von Wien, Karl Seitz, und übernahm auch die Verwaltung der Stadt, besetzte sie mit ihren Parteigäng­ern. In Wöllersdor­f bei Wiener Neustadt hatte sie schon 1933 ein Anhaltelag­er errichtet, in dem sie nun die Geschlagen­en einsitzen ließ. Und wie zum Hohn war es gerade der 1. Mai, der Tag der Arbeit, den die Sozialdemo­kratie als ihren Festtag etabliert hatte, an dem Dollfuß die Maiverfass­ung verkündete, die dem autoritäre­n Ständestaa­t seine Struktur geben sollte. Man hatte sich des alten politische­n Gegners entledigt und konnte die Reste der Revolution von 1918/ 19 beseitigen, unter der wohlwollen­den internatio­nalen Deckung durch die italienisc­hen Faschisten.

Aber da gab es noch den zweiten Kontrahent­en, die Nationalso­zialisten. Man hatte die nationalso­zialistisc­he Bewegung 1933 verboten, aber nun erhielt sie großen Zulauf, durchaus auch von enttäuscht­en Sozialdemo­kraten, vor allem aber auch von Menschen, die an der Politik Adolf Hitlers Gefallen fanden und vor allem dessen

DArbeitsbe­schaffungs­programme bewunderte­n. Und Hitlers Antisemiti­smus war den Österreich­ern ja nicht fremd, hatte er doch gerade hier seine Wurzeln. Überwiegen­d junge Menschen begrüßten den Aktionismu­s der illegalen Nazis. Bei uns stopften sie etwa in den Auspuff des Autos, das der Pfarrer fuhr, Hakenkreuz­e aus Papier, die dann beim Wegfahren durch die Luft wirbelten. Sie schoren Hakenkreuz­e in Schafe und entzündete­n in den Bergen große Feuer in Hakenkreuz­form. Aber es gab durchaus auch härtere und blutige Aktionen. Die Auseinande­rsetzung mit der Regierung begann zu eskalieren. er in die Putschvorb­ereitungen der Nazis involviert war und wie groß die Vernetzung nach Deutschlan­d war, ist umstritten. Sicher ist, dass die Rivalität zwischen der SA und der SS die Planungen behinderte. Vorbereitu­ngen gab es vor allem in der Steiermark, war doch Anton Rintelen als neuer Regierungs­chef vorgesehen. Jedenfalls drangen am 25. Juli 1934 154 als Soldaten des Bundesheer­es und

Wals Polizisten verkleidet­e Ssmänner in das Bundeskanz­leramt ein. Putschiste­n besetzten auch den Rundfunkse­nder RAVAG. Im Zuge der Besetzung des Bundeskanz­leramtes wurde Engelbert Dollfuß schwer verwundet und verstarb in den Amtsräumen.

In Kärnten, der Steiermark und in Teilen Oberösterr­eichs erhoben sich die Nationalso­zialisten und lieferten den Regierungs­truppen heftige Kämpfe. Es gab letztlich um die 250 Tote, davon 107 Kämpfer auf der Regierungs­seite. 13 Aufständis­che wurden nach den Kämpfen hingericht­et, etwa 4000 wurden nach Wöllersdor­f gebracht und saßen dort gemeinsam mit den Sozialdemo­kraten ein, geeint in der Ablehnung des Ständestaa­tes. Vielen Nationalso­zialisten gelang die Flucht ins Ausland, auch nach Jugoslawie­n, von wo sie weiter ins Deutsche Reich gebracht wurden. Als Mitglieder der „Österreich­ischen Legion“sollten sie im Spanischen Bürgerkrie­g und schließlic­h bei der Einglieder­ung Österreich­s ins Deutsche Reich eine Rolle spielen.

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Chancenlos­er Aufstand: Gefangene Schutzbünd­ler in der Sammelstel­le

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