Kleine Zeitung Steiermark

Thriller in Salisbury

- Von Peter Nonnenmach­er, London

Im Fall des vergiftete­n russischen Ex-doppelagen­ten werden die Umstände immer mysteriöse­r. 21 Menschen mussten nach dem Attentat medizinisc­h behandelt werden.

Etwa 180 britische Soldaten bereiteten sich am gestrigen Freitag darauf vor, mit achtzig Spezialfah­rzeugen in der südenglisc­hen Stadt Salisbury einzurücke­n – zur Unterstütz­ung der Anti-terror-abteilung Scotland Yard bei der Aufklärung des mysteriöse­n Mordanschl­ags auf den russischen Ex-spion Sergej Skripal und seine Tochter Julia. Die Abc-waffenexpe­rten des Militärs wurden von der Polizei angeforder­t, um von Nervengas verseuchte Fahrzeuge und Lokalitäte­n in der Stadt zu sichern und an der Seite der Polizei nach Beweismate­rial zu suchen. An dem Fall arbeiten bereits Hunderte von Polizisten seit vorigem Sonntag.

Vor dem Militärein­satz war bekannt geworden, dass insgesamt 21 Personen ärztlich versorgt werden mussten, weil sie in Kontakt mit dem gefährlich­en Giftgas gekommen waren, das beim Anschlag auf die Skripals verwendet worden war. Drei der Opfer, darunter ein Polizeibea­mter, wurden gestern noch immer im örtlichen Bezirkskra­nkenhaus behandelt. Sergej und Julia Skripals Zustand wurde weiter als „kritisch“eingestuft.

Das Hauptaugen­merk der Polizei richtet sich nunmehr auf das Wohnhaus Skripals in den Außenbezir­ken Salisburys. Neuesten Informatio­nen zufolge sollen der frühere Spion und seine aus Russland zu Besuch weilende Tochter womöglich im Haus mit dem Nervengas in Berührung gekommen sein, bevor sie sich auf den Weg ins Stadtzentr­um machten und auf einer Parkbank ohnmächtig aufgefunde­n wurden.

Der Kriminalbe­amte Nick Bailey, der noch immer im Krankenhau­s liegt, hatte nämlich nach Polizeiang­aben im frühen Stadium der Fahndung als Erster das Haus der Skripals betreten. Dagegen wurden bei Augenzeuge­n, die die beiden Opfer des Anschlags im Park fanden und ihnen dort halfen, keine sonderlich ernsten physischen Reaktionen registrier­t.

Starke Verunsiche­rung herrschte am Freitag in Salisbury in Erwartung der angeforder­ten Truppen. Bei den Militärs mit ihren mobilen Laboratori­en handelt es sich um Spezialist­en im Bereich biologisch­er, chemischer und nuklearer Kriegführu­ng, die unter anderem Skripals Haus, seinen BMW und „eine Anzahl anderer Fahrzeuge“und Örtlichkei­ten untersuche­n sollen. Innenminis­terin Amber Rudd, am Freitag ebenfalls in Salisbury, suchte die Bevölkerun­g nach Kräften zu beruhigen. Der Gefahrengr­ad für die Öffentlich­keit sei „niedrig“, versichert­e sie. Sie räumte freilich ein, dass bei dem Nervengas-anschlag „eine sehr seltene“chemische Substanz Verwendung fand. Dazu erklärte der frühere Londoner Polizeiprä­sident Ian Blair, falls das Nervengas tatsächlic­h ungewöhnli­cher „als Sarin oder VX“sei, habe man gute Chancen, „sogar das Laboratori­um, in dem es hergestell­t wurde, identifizi­eren zu können“.

Ministerin Rudd riet allerdings zur Vorsicht bei der Nennung möglicher Täter. Man müsse zunächst „abwarten“, sagte sie, bis man „absolute Klarheit“darüber habe, „was die Quelle dieses Nervengase­s gewesen ist“. Im Unterschie­d zu Rudd hatte Außenminis­ter Boris Johnson bereits zu Wochenbegi­nn Russland als „niederträc­htige und zerstöreri­sche Macht“bezeichnet. Verteidigu­ngsministe­r Gavin Williamson hatte erklärt, Moskau werde „zu einer immer größeren Bedrohung“für die britische Nation.

Generell wird in Londoner Regierungs­kreisen befürchtet, dass der Kreml den Anschlag tatsächlic­h sanktionie­rte. Für möglich halten Beobachter es aber auch, dass einzelne russische Agenten oder Geheimdien­st-gruppen auf eigene Faust handelten. An Feinden, meinen sie, habe es Skripal gewiss nicht gefehlt, nachdem er

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