Graz bläst
Im Grazer Rathaus liegt ein brisanter Antrag mit explosiver Munition gegen die Shoppingcity Seiersberg. Doch nach diskreten Interventionen verschwand das Papier in der Schublade.
Es ist scharfe Munition, die man sich im Grazer Rathaus gegen die Shoppingcity Seiersberg zurechtgelegt hat. Ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Gutachten listet eine Reihe von neuen, gewichtigen Bedenken auf. Würde man diese Geschütze in Stellung bringen, dann käme das beliebte Einkaufszentrum in arge Bedrängnis. Die 2016 erfolgte Notreparatur zur Rettung der Einkaufs-city wäre womöglich nur mehr Makulatur.
Jedoch: Das gefährliche Papier, das am 9. Jänner im Rathaus eintraf, liegt seit Wochen ungenützt in der Schublade. Am 26. Jänner hätte es auf die Tagesordnung des Stadtsenats kommen sollen. Alles war minutiös vorbereitet: „Der Stadtsenat möge die Erhebung einer (...) Beschwerde an die Volksanwaltschaft beschließen“, heißt es im Antrag, der der Kleinen Zeitung vorliegt. Auch die 17 Seiten umfassende Beschwerde selbst war schon präzise und messerscharf ausformuliert.
Doch das brisante Stück wurde im letzten Moment abgesetzt – angeblich auf persönliche Intervention von Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer. Das berichten Quellen im Land.
Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl hingegen erzählt den Vorfall anders: „Blödsinn, die Stadtsenatsstücke machen wir und niemand sonst.“Er habe das Stück lediglich abge- setzt, weil er sich die Causa juristisch noch einmal anschauen wolle, „bevor ich einen Schritt setze, wo ich nicht weiß, ob er etwas bringt“. Und so schlummert die gar nicht billige Expertise nun ungenützt in einem Aktenschrank des Rathauses.
Das Gutachten selbst stammt vom Salzburger Uni-professor Thomas Müller. Er hält die Notreparatur des Landes für völlig unzulässig: Der seinerzeit illegale Zustand, der zur Aufhebung von Seiersberger Gemeindeverordnungen durch den Verfassungsgerichtshof führte, dauere unvermindert an.
Bekanntlich hat der Landtag das Landes-straßengesetz geändert, und die Gemeinde hat neue „Interessentenwege“verordnet. Sowohl gegen das neue Gesetz als auch gegen die Verordnung gebe es „eine Vielzahl erheblicher verfassungs- und verwaltungsrechtlicher Bedenken“, schreibt Müller (Details siehe Bericht rechts). Es sei fraglich, ob man dem höchstgerichtlichen Erkenntnis überhaupt entsprochen habe.
Die Sache zu vergessen, wird für Graz wohl politisch nicht gehen. Denn als „Anlass“der vereitelten Beschwerde führen die Grazer Juristen die jüngste Einzelhandelsstrukturanalyse von 2017 an. Sie zeige „massive negative Auswirkungen“der Shoppingcity Seiersberg auf Graz. Dem Grazer Handel würden Jahresumsätze von mindestens 39 bis maximal 197 Millionen Euro entzogen.