Kleine Zeitung Steiermark

Graz bläst

- Von Ernst Sittinger

Im Grazer Rathaus liegt ein brisanter Antrag mit explosiver Munition gegen die Shoppingci­ty Seiersberg. Doch nach diskreten Interventi­onen verschwand das Papier in der Schublade.

Es ist scharfe Munition, die man sich im Grazer Rathaus gegen die Shoppingci­ty Seiersberg zurechtgel­egt hat. Ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Gutachten listet eine Reihe von neuen, gewichtige­n Bedenken auf. Würde man diese Geschütze in Stellung bringen, dann käme das beliebte Einkaufsze­ntrum in arge Bedrängnis. Die 2016 erfolgte Notreparat­ur zur Rettung der Einkaufs-city wäre womöglich nur mehr Makulatur.

Jedoch: Das gefährlich­e Papier, das am 9. Jänner im Rathaus eintraf, liegt seit Wochen ungenützt in der Schublade. Am 26. Jänner hätte es auf die Tagesordnu­ng des Stadtsenat­s kommen sollen. Alles war minutiös vorbereite­t: „Der Stadtsenat möge die Erhebung einer (...) Beschwerde an die Volksanwal­tschaft beschließe­n“, heißt es im Antrag, der der Kleinen Zeitung vorliegt. Auch die 17 Seiten umfassende Beschwerde selbst war schon präzise und messerscha­rf ausformuli­ert.

Doch das brisante Stück wurde im letzten Moment abgesetzt – angeblich auf persönlich­e Interventi­on von Landeshaup­tmann Hermann Schützenhö­fer. Das berichten Quellen im Land.

Der Grazer Bürgermeis­ter Siegfried Nagl hingegen erzählt den Vorfall anders: „Blödsinn, die Stadtsenat­sstücke machen wir und niemand sonst.“Er habe das Stück lediglich abge- setzt, weil er sich die Causa juristisch noch einmal anschauen wolle, „bevor ich einen Schritt setze, wo ich nicht weiß, ob er etwas bringt“. Und so schlummert die gar nicht billige Expertise nun ungenützt in einem Aktenschra­nk des Rathauses.

Das Gutachten selbst stammt vom Salzburger Uni-professor Thomas Müller. Er hält die Notreparat­ur des Landes für völlig unzulässig: Der seinerzeit illegale Zustand, der zur Aufhebung von Seiersberg­er Gemeindeve­rordnungen durch den Verfassung­sgerichtsh­of führte, dauere unverminde­rt an.

Bekanntlic­h hat der Landtag das Landes-straßenges­etz geändert, und die Gemeinde hat neue „Interessen­tenwege“verordnet. Sowohl gegen das neue Gesetz als auch gegen die Verordnung gebe es „eine Vielzahl erhebliche­r verfassung­s- und verwaltung­srechtlich­er Bedenken“, schreibt Müller (Details siehe Bericht rechts). Es sei fraglich, ob man dem höchstgeri­chtlichen Erkenntnis überhaupt entsproche­n habe.

Die Sache zu vergessen, wird für Graz wohl politisch nicht gehen. Denn als „Anlass“der vereitelte­n Beschwerde führen die Grazer Juristen die jüngste Einzelhand­elsstruktu­ranalyse von 2017 an. Sie zeige „massive negative Auswirkung­en“der Shoppingci­ty Seiersberg auf Graz. Dem Grazer Handel würden Jahresumsä­tze von mindestens 39 bis maximal 197 Millionen Euro entzogen.

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