Russland ist für Machtwechsel nicht bereit
Am Sonntag wählt das Riesenreich einen Präsidenten – es dürfte mit Sicherheit der alte sein. Alles spricht für Wladimir Putin.
Stefan Scholl, Moskau
Xenia Sobtschak trägt ein enges, rosa Kleid und will sich noch nicht festlegen. Aber auf jeden Fall hoffe sie bei den Wahlen am Sonntag auf ein Ergebnis, das ihr erlaube, in der Politik zu bleiben und eine ernsthafte Kraft zu formieren, mit der sie bei den nächsten Präsidentschaftswahlen antreten werde, sagte sie beim Auftritt in Moskau der Kleinen Zeitung. „Zu ,Dom-2’ kehre ich jedenfalls nicht zurück.“„Dom-2“ist jene russische Variante von „Big Brother“, in der Sobtschak als Moderatorin zu Russlands bekanntester Zicke aufstieg.
Dass das It-girl Sobtschak inzwischen liberale Präsidentschaftskandidatin ist und nach dem Sonntag in der Politik bleiben möchte, gehört zu den Ergebnissen eines sonderbaren Wahlkampfs. Amtsinhaber Wladimir Putin trat nur sporadisch auf, überließ das Feld weitgehend seinen Herausforderern. Davon profitierten vor allem zwei Kandidaten: Pawel Grudinin, Großbauer und Kandidat der kommunistischen KPRF, der wie Putin die Tvdebatten mit den anderen Kandidaten ignoriert. Er könnte nach der letzten Umfrage der staatlichen Meinungsforscher WZIOM mit 7,1 Prozent den Nationalpopulisten Wla- dimir Schirinowski (5,6 Prozent) auf Platz drei verdrängen. Und Sobtschak. Sie ist mit 1,1 Prozent abgeschlagen, darf sich aber als neue Wortführerin der kleinen demokratischen Opposition profilieren.
Die vier übrigen Bewerber sind reine Statisten. Der Altliberale Grigori Jawlensky bekommt nach der Umfrage 1,0
Prozent, der Unternehmerombudsmann Boris Titow 0,3 Prozent, zwei weitere Wettbewerber aus der rechtsbolschewistischen Ecke sind Promillekandidaten. Haushoher Favorit bleibt trotz aller Passivität Kreml-chef Putin, dem das WZIOM 69,7 Prozent prophezeit. „Die Russen wollen nichts riskieren“, sagt der Demokrat Wladimir Ryschkow, ein Vertrauensmann des Kandidaten Grigori Jawlinskis. „Ihre Geldbeutel leiden unter der Wirtschaftskrise, sie wissen, dass es viel Korruption gibt. Aber Pensionen und Löhne fließen, es werden Straßen gebaut, die Lage ist nicht so schlecht, dass die Leute für einen Machtwechsel bereit wären.“