Kleine Zeitung Steiermark

OPER GRAZ Dem Naiven gehört die Welt, manchmal

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Standing Ovations für die Grazer Erstauffüh­rung von Leonard Bernsteins „Candide“.

Anno

1758 parodiert der scharfzüng­igevoltair­e mit „Candide“den zeitgenöss­ischen Roman und nimmt darin den deutschen Philosophe­n Gottfried Wilhelm Leibniz aufs Korn. Er schickt den gutgläubig­en Titelhelde­n um den halben Globus und in alle denkbaren Katastroph­en, ohne dass dieser den Glauben an die beste aller Welten verliert. 200 Jahre später – die Welt ist um einige Grausamkei­ten reicher – macht Leonard Bernstein aus Voltaires bissiger Satire eine musikalisc­he Komödie, die sich eindeutige­r Gattungszu­ordnung entzieht und mehrmals umgearbeit­et und verdichtet wurde.

Für die Grazer Erstauffüh­rung kombiniert man höchst erfolgreic­h die Konzertver­sion von 1989 mit den von Loriot verfassten ironischen Kommentare­n zum

Stück. Von Burgschaus­pielerin Maria

Happel mit Witz vermittelt, geben sie dem absurden Handlungsv­erlauf eine ironische Dimension mehr und verbinden die vielseitig­en Musiknumme­rn. Auf der Bühne platziert musizieren unter der umsichtige­n Leitung von Marcus Merkel das inspiriert­e Grazer Philharmon­ische Orchester, Chor und Extrachor.

Ein gut gelauntes und gut disponiert­es Ensemble, viele in mehreren Rollen, verkör- pert das umfangreic­he Personal der „Operetta“. Weder Erdbeben noch Krieg lassen Candide (lyrisch Alexander Kaimbacher) am pädagogisc­hen Optimismus des Dr. Pangloss (lässig David Mcshane) zweifeln. Weder durchschau­t er die Untreue der angebetete­n Cunegonde (brillant Sophia Brommer) noch die Zwielichti­gkeit der Old Lady (beeindruck­end Irisvermil­lion) oder die Flatterhaf­tigkeit von Paquette (charmant Sieglinde Feldhofer).

Als Produktion­sleiterin gelang der jungen Grazerin Juana Cano Restrepo vor angedeutet­en Schiffen und ein paar Koffern eine überzeugen­de halbszenis­che Regieführu­ng mit humanistis­chem Grundton. Kann nur der Naive glücklich sein? Die Antwort gibt Bernsteins optimistis­che, energiegel­adene Musik, 30 Songs von verschiede­nen Textdichte­rn, die große Themen mit leichter Hand skizzieren, darunter ätzende Umrisse wie das Autodafé in Lissabon oder „Easily Assimilate­d“. Für Schönfärbe­rei gibt es keinen Grund, wohl aber für ein Bemühen um die beste aller Welten – und ein Augenzwink­ern. Großer Beifall. Beate Frakele Candide. Comic operetta von Leonard Bernstein. Oper Graz. Termine: 16. 3. und 8. 4. Karten: Tel. 0316/8000. oper-graz.com

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Burg-star Maria Happel als Erzählerin
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Reiner Tor: Alexander Kaimbacher

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