Kleine Zeitung Steiermark

„Die neuewelt, der neue Kosmos“

- Von Bertram Karl Steiner

Vexilla regis prodeunt …!“– Es erscheinen des Königs Banner, wie ein Blitz erstrahlt des Kreuzesmys­terium … So jubelt derhymnus des Venantius Fortunatus, seit fünfzehn Jahrhunder­ten das österliche Siegeslied der Christenhe­it.

Noch liegen die Soldaten auf Piero della Francescas Fresko, noch liegt die Menschheit im Morgengrau­en des dritten Tages in tiefem Schlaf. Einen Augenblick waren die Wächter vom Donnergrol­len eines Erdbebens, vom Einbruch des Engels aufgeschre­cktworden, dessen Gestalt war wie ein Blitz und sein Gewand war weiß wie Schnee. Vor Entsetzen zitternd fallen sie hin wie tot.

Es ist wahrhaftig zum Fürchten, wenn der Sohn Gottes, wenn der lebendige Gott selbst in seiner Majestät herausstei­gt aus dem Reich des Todes. Als Sieger trägt er die Fahne mit dem Kreuz in der Rechten, mit der Linken rafft er seine Purpurtoga. Den durchbohrt­en linken Fuß setzt er auf die Einfassung des Grabes; ganz heil ist der geschunden­e Leib, das Antlitz zeigt keine Spur mehr von den Misshandlu­ngen. it seinen weit geöffneten Augen durchschau­t er, prüft er diese seine neue Welt, den neuen Kosmos: Nichts ist mehr so, wie es gewesen war, der alten Schlange ward der Kopf zertreten und tote Bäume grünen aufs Neue, zu sehen gleich neben dem gerafften Königsmant­el. Auch das

Mirdische Paradies ist wieder hergestell­t in ursprüngli­cher Ordnung und Harmonie.

In der Liturgie zur Osternacht ist das „Exsultet“angestimmt worden, das in überwältig­enden Bildern den Weg der Schöpfung darstellt und in dem schwindele­rregenden Paradoxon gipfelt: „O wahrhaft liebenswer­te Schuld Adams, die durch Christi Sterben getilgt ward! Oglücklich­e Schuld, die einen so großen, so erhabenen Erlöser zu erhalten verdiente!“it dem Antlitz des Auferstand­enen auf seinem Fresko gibt uns auch Piero della Francesca wie manch anderer Maler seiner Zeit ein Rätsel auf, das bis heute viele Menschen nicht zur Ruhe kommen lässt: Wie sah er aus, der Erlöser, als er aus dem Grabe stieg?

Piero befand sich 1458/1459 in Rom. Bald darauf hat er seine „Auferstehu­ng“gemalt. Hat er in Rom jenes Tüchlein aus Byssos gesehen, einem kostbaren Gewebe aus Muschelsei­de, das farbabweis­end ist und daher gar nicht bemalt werden kann? Im Grab soll es auf dem Haupte Jesu gelegen sein … s zeigt uns das ebenso nachdenkli­che wie fröhliche Antlitz des Herrn, durchschei­nend ist es, wie ein Diapositiv. Heute wird es in dem Städtchen Manoppello in den Abruzzen aufbewahrt. Nachschaue­n und googeln!

Gesegnete Ostern!

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