Kein Spaziergang für Viktor Orbán
Ungarn steht bei den Parlamentswahlen am kommenden Sonntag vor dem spannendsten Urnengang seit Jahren.
Fidesz reagiere auf sinkende Umfragewerte und sich mehrende Korruptionsenthüllungen mit „hysterischer Kriegsrhetorik“, sagt Peter Kreko, der Direktor des Political-capitalInstituts. „Wie eine Sekte“schließe sie sich in dem „Käfig“der eigenen Verschwörungslegenden ein: „Sie sprechen immer wieder über die Bedrohung durch die Immigranten, obwohl es hier einfach kaum welche gibt.“Die eigene Klientel könne die Partei mit dem Endzeitszenario eines „kosmischen Kampfes“zwar aktivieren: „Aber in Hódmezo˝vásárhely hat Fidesz damit mehr die Wähler der Opposition als die eigenen Anhänger mobilisiert.“
Der völlig überraschende Ausgang der Bürgermeisterwahl in der südungarischen Provinzstadt ist es, der die gebeutelte Opposition wieder etwas Morgenluft wittern und Fidesz ungewohnt nervöswerden lässt. Just in der Fidesz-hochburg hatte der Platzhirsch der Regierungspartei Ende Februar gegen einen unabhängigen, von allen Oppositionskandidaten unterstützten Herausforderer klar das Nachsehen.
106 der 199 Sitze im Parlament werden durch Direktmandate, der Rest nach dem Stimmenanteil der Parteien vergeben. Das Wahlsystem begünstigt die größte Partei: Dank 96 gewonnener Direktmandate konnte Fidesz sich 2014 mit 44,11 Prozent der Stimmen eine Zweidrittelmehrheit sichern. Verständigt sich die Opposition in denwahlkreisen auf die Unterstützung des jeweils aussichtsreichsten Kandidaten, könnte die Dominanz von Fidesz ins Wanken geraten. Die dafür nötige Einigung fällt der wenig homogenen Opposition schwer.
Mit einem Durchmarsch wie bei den Wahlen 2010 und 2014 kann Orbán kaum mehr rechnen. Denn ob die aberwitzige Vermehrung des Reichtums des Bürgermeisters seines Heimatorts Felcsút oder das millionenschwere Offshore-konto von Staatssekretär Szabó, Enthüllungen über auf Auslandskon- ten verschobene Eu-milliarden oder manipulierte Ausschreibungen zugunsten der Firma seines Schwiegersohns – das sorgfältig gepflegte Bild des Landesvaters, der selbstlos für die Interessen der Nation streitet, ist dem Image eines Feudalherrn gewichen, der die Interessen des eigenen Klans nie aus dem Blick verliert.
Doch es sind die tiefen Gräben in den Reihen der Opposition, die Fidesz erneut die Mehrheit bescheren könnten. So verweigert Jobbik bislang jede Kooperation mit anderen Parteien. Der Schulterschluss gegen Orbán fällt auch dem zersplitterten linksliberalen Lager schwer.
Wohin die Reise für Ungarn geht, ist laut Kreko ungewiss: „Es ist ein offenes Rennen. Nur eines ist sicher: Wenn Fidesz gewinnt, aber Federn lässt, wird Orbán noch härter gegen Bürgerrechtsgruppen und die Opposition vorgehen. Denn für ihn gibt es kein Zurück auf dem Weg zum illiberalen Staat.“