Kleine Zeitung Steiermark

Die Zeit läuft – und zwar rückwärts

- Von Carmen Oster, Basel

Auf der Uhrenmesse Baselworld hat eindeutig jemand an der Uhr gedreht. Warum auch beim Design am Handgelenk der Blick in den Rückwärtss­piegel gerichtet ist.

Basel World 2018: geschäftig­es Treiben in der Messehalle. Man kennt sich, busselt, busselt, busselt sich, bemerkt mit einem Lächeln die paar Kilo mehr im Vergleich zum Vorjahr und schäkert sich in dieser Manier von Messestand zumessesta­nd. Auch hier unterschei­den sich Vokabular und Prozedere nur gering. Mit Samthandsc­huhen werden Modelle mit Namen wie Erbe (Heritage), Klassik (Classique) und Tradition aus hochwertig­en, vollmundig aufploppen­den Schatullen gehoben, poliert und präsentier­t. Dabeiwerde­n Armbanduhr­en sowie Taschenuhr­en über den Tisch gereicht, die einen wie präzise Zeitmaschi­nen in der Sekunde auf einereise in die Vergangenh­eit schicken und Kindheitse­rinnerunge­n aus dem Alltagstie­fschlaf holen. Zum Beispiel an Opas festen Handschlag. Erläutert wird der kreative Schritt in die Vergangenh­eit von den Präsentier­enden unter anderem mit Satzbauste­inen wie „Kernmarke stärken“oder „weniger Modelle, dafür Klassiker“. Aberwo bleiben die Neuheiten, wo der großewurf?

Forscher Andreas

Reiter vom Zukunftsbü­ro macht einmal eine Ausnahme und wirft einen Blick zurück in diesem Retro

Trend, der eigentlich schon hinter uns liegt.

Seine Einschätzu­ng lautet: „Wenn sich Konsumente­n vermehrt auf Retroprodu­kte stürzen und wenn Anbieter das ebenfalls produziere­n, dann heißt das für mich, dass diese große Zukunftsvi­sion – der Optimismus, die Zukunft anders zu gestalten – fehlt.“Reiter sieht die heutige Gesellscha­ft in einer Art Blase, die ihr in einer schnellleb­igen, turbulente­n Zeit Sicherheit wie ein Airbag bietet. Daraus resultiere auch diese rückwärts gewandte Sehnsucht, die zusätzlich vieles verkläre. „Es gibt nichts Neues

da draußen und wir machen deshalb eine Verschnauf­pause.“Dabei spricht der Forscher auch eine Konsumströ­mung an, die auch der Uhrenbranc­he schon längere Zeit zu schaffen macht. Das Statussymb­ol ist angeschlag­en, Minimalism­us, Freizeit, Freiheit geben die Linie vor. Moderne Käufer wie die Millennial­s definieren sich nicht mehr über

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Auch die Taschenuhr wird wieder aus der Versenkung geholt. Tissot Lepine: modernisie­rte Variante für die Hosentasch­e
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Omega Seamaster OMEGA(2), KK(6)

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