Wunderwuzzi
Harald Maier, steirischer Ex-radprofi, hat laut Anklage 1,4 Millionen Euro Steuerschulden. Er versteht das nicht und kommt sich am Landesgericht Graz vor wie im Kabarett.
Früher war er einer der prominentesten Radprofis in Österreich, jetzt fährt er nur noch „zur Gaude“. Sein Geld verdiente Harald Maier (57) nach der Profikarriere mit unzähligen Vorträgen und dem Aufbau eines Vertriebsnetzes für ein amerikanisches Nahrungsergänzungsmittel namens Vemma. Das bringt ihn zurück nach Graz auf die Anklagebank am Landesgericht.
Schon die Feststellung der Personalien ist unerwartet schwierig: Er wohnt inmombasa (Kenia). Die Finanz meint: in Graz-umgebung. Er hat kein Vermögen. Nein doch, 87 Prozent eines Einfamilienhauses – nein, eines Mehrparteienhauses. Er hat Schulden, deren Höhe er nicht genau kennt.
Im Finanzstrafverfahren wird ihm vorgeworfen, dass er zwischen 2006 und 2014 mehr als 1,4 Millionen Euro Einkommenssteuer hinterzogen hat. „Ich sag Ihnen ehrlich“, erklärt er Richter Andreas Lenz, „ich versteh das überhaupt nicht.“In „ganz Europa“hat er mit Vorträgen ein Team von Vertriebsleuten motiviert. „Wie in einem Pyramidenspiel“(Richter) verdiente er automatisch an Provisionen der unteren Ebenen mit.
„Ich habe alles, was ich verdient habe, wieder eingesetzt“, erklärt der Ex-sportler. „Jährlich sechs Millionen Euro, und ich habe damit einen Umsatz von 250 Millionen erreicht. Du musst alles einsetzen, wenn du was aufbauen willst. Ichwar immer eine Kampfmaschine. Aber mir ist leider, leider nichts übrig geblieben.“– „Der Umsatz der Vemma ist nicht Ihr Umsatz“, erklärt ihm sein Verteidiger.
Was er jedenfalls nicht tat, war Belege sammeln. „Menschen begeistern, das kann ich, aber ich kann keine zwei Zettel ausfüllen.“Bis zu drei Vorträge pro Tag habe er gehalten, sei bis zu 800 Kilometer am Tag gefahren und habe oft imwald übernachtet, weil er sich kein Hotel mehr leisten konnte. „Ich bin ein Wunderwuzzi, aber buchhalterisch völlig daneben.“
Mithilfe des Gerichts und des Staatsanwaltes rekonstruiert er, dass er bis 2011 in Österreich gemeldet war („Hauptwohnsitz, Nebenwohnsitz, das ist für mich eins“). Seit 2012 lebe er definitiv bei seiner dritten Frau in Mombasa und sei nur fallweise in Österreich. „Wo die Familie ist, ist der Lebensmittelpunkt.“Sein Anwalt in Mombasa habe ihm erklärt, er sei in Kenia steuerpflichtig. „Da wollte ich mir den Papierkrieg in Österreich nicht mehr antun.“Das sehen das Finanzamt Graz-umgebung und die Anklage anders.
Zur Schätzung der Steuerschuld durch die Finanz meint Maier nur: „Ich komme mir vor wie im Kabarett.“Zwischendurch habe er „minus null“verdient und also auch nichts zu erklären gehabt.
Er habe viele Rennen gewonnen, sagt Maier. „Und ganz viele Etappen.“In diesem Verfahren wird mindestens noch eine Etappe zu absolvieren sein: Etliche Zeugen werden geladen, unter anderen der Steuerberater, der vielleicht erklären kann, wieso er noch bis 2014 Steuererklärungen an die Finanzbehörden schickte, wo Maier doch längst in Mombasa wohnte und dort Steuern zahlte.