Kleine Zeitung Steiermark

Der Erinnerung

- Von Karin Waldner-petutschni­g

Vompolitis­chen Häftling zum bedeutends­ten zeitgenöss­ischen Schriftste­ller Sloweniens: Drago Jancˇar feiert morgen seinen 70. Geburtstag. Eine Einladung zum Lesen seinerwerk­e.

All das war einige Jahre später so unbedeuten­d geworden wie ein mittelalte­rliches Urbarium. Früher wäre er aufgeregt gewesen, nun langweilte er sich. Heute interessie­rt es niemanden mehr, wovon die politische­n Emigranten gesprochen hatten.“

Es ist ein Archivar, den Drago Jancˇar in seinem Roman „Der Baum ohne Namen“so schildert, ein Wissenscha­ftler, der Geschichte rekonstrui­ert und in einer scheinbar glückliche­n Ehe lebt. Doch alles beginnt zu wanken, die verdrängte Erinnerung bricht sich ihre Bahn.

2010 ist dieses Buch auf Deutsch erschienen, manch anderes ist ihm gefolgt. Doch unbedeuten­d oder langweilig ist dem wichtigste­n lebenden slowenisch­en Autor die Vergangenh­eit keineswegs geworden. Historisch­e Stoffe sind sein Thema.

Vom ersten Roman „Der Galeot“aus dem Jahr 2004 (Wieser-verlag), der unter dem Titel „Der Galeerenst­räfling“2015 neu aufgelegt wurde (FolioVerla­g), bis zum bisher letzten auf Deutsch erhältlich­en Buch „Die Nacht, als ich sie sah“arbeitet Jancˇar mit der zum Teil selbst erlebten Vergangenh­eit.

Den Sog der Geschichte hat der Autor oft genug am eigenen Leib erfahren. Stets in Opposition zu den herrschend­en Machthaber­nwurde er 1974 selbstwege­n „feindliche­r Propaganda“zum politische­n Häftling. Den Mund hat er sich dennoch nie verbieten lassen. Und auch nicht seine Freundscha­ft zu kompromiss­losen Intellektu­ellen und Künstlern wie demwiderst­andskämpfe­r Edvard Kocbek oder dem Triester Autor Boris Pahor.

Neben Romanen, Erzählunge­n und Theaterstü­cken vervollstä­ndigen Essays zum Bosnienkri­eg und publizisti­sche Beiträge zur Demokratis­ierung seiner Heimat ein beeindruck­endes Oeuvre, das mit zahlreiche­n internatio­nalen Auszeichnu­ngen gewürdigt wurde – vom Presˇeren-preis über den Jean-améryPreis für Essayistik bis zum Prix européen de littératur­e für sein Lebenswerk.

Sind es im „Baum ohne Namen“die Memoiren eines nach Australien ausgewande­rten Casanova, die im besetzten Jugoslawie­n der 1940er-jahre ihren Ausgang nehmen und über den Zweiten Weltkrieg bis zu den Balkankrie­gen der 1990er-jahre reichen, so wird in „Die Nacht, als ich sie sah“ein Industriel-

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