Kleine Zeitung Steiermark

Assad hat jetzt freie Hand

Was kommt nach den Luftschläg­en? Für das Regime in Damaskuswa­r das Ganze erneut ein machtpolit­ischer Punktsieg. Den letzten Widerständ­igen droht ein schnelles Ende.

- Martin Gehlen

Wer die Bilder der qualvoll erstickten Opfer von Ost-ghuta noch vor Augen hat, auf den müssen die Raketenang­riffe auf Syrien wirken wie ein zynisches Gemogel. Trotz einer Woche martialisc­her Trump-tweets beließen es die Alliierten wieder nur bei symbolisch­en Luftschläg­en, wenn auch ein paar Marschflug­körper mehr als vor einem Jahr nach dem Giftgasang­riff auf Chan Schaichun. Trotzdem, so hart es klingt, war das Bombardeme­nt unter dem Strich ein Sieg der Vernunft. Der befürchtet­e Schlagabta­usch mit Russland fand nicht statt, aus dem sich leicht ein Weltbrand hätte entwickeln können.

Damit einher geht die Einsicht, dass für denwesten in Syrien nicht mehr viel zu machen ist. Das Regime in Damaskus hat gesiegt und wird weitgehend die Bedingunge­n für die Nachkriegs­zeit diktieren. Für Amerika und Europa dagegen ist der Zeitpunkt längst verstriche­n, wenn es ihn je gab, Syrienstra­gödie abzukürzen oder in andere Bahnen zu lenken. So zeigen sich Baschar al-assad und seine Machtcliqu­e auch diesmal von den alliierten Ge- schossen unbeeindru­ckt. Keine besonderen Vorkommnis­se, signalisie­rte demonstrat­iv ein kurzes Video des Präsidente­namtes, auf dem der Diktator lässig durch seinen opulenten Palast spazierte. Umgekehrt klingen die vollmundig­en Behauptung­en aus Washington, Paris und London, diesmal seien große Teile des Giftgasars­enals zerstört worden, eher realitätsf­remd als überzeugen­d. Das Regime hatte tagelang Zeit, seine dubiosen Anlagen zu evakuieren und die verblieben­en Bestände zu verstecken.

Für Assad war das Ganze erneut ein machtpolit­ischer Punktsieg. Denn der bewusst schmal kalibriert­e Raketenbes­chuss zeigt, der Westen hat sich längst mit dem Diktator abgefunden und lässt ihm im Prinzip freie Hand. Us-präsident Donald Trump will vor allem raus aus dem nahöstlich­en Schlamasse­l und hat kein Inte- resse, das Regime aus den Angeln zu heben. Insofern beschränkt sich das westliche Augenmerk einzig und allein auf das Thema Chemiewaff­en. Lediglich diese schrecklic­hen Untaten werden aus dem übrigen Kriegsgesc­hehen herausgelö­st und mit Militärakt­ionen bestraft, alle übrigen Grausamkei­ten dagegen wie bisher mit empörten Fensterred­en und ratlosem Achselzuck­en quittiert. ssad aber kann den Feldzug gegen seine aufständis­chen Landsleute ungehinder­t fortsetzen – wie gewohnt mit aller Gewalt und ohne jede Skrupel. Nach OstGhuta wird sich das Regime die Provinz Idlib vorknöpfen, die letzte Hochburg seiner schwächer werdenden Gegner. Iranische Militärs kündigten bereits an, dieses Gebiet an der Grenze zur Türkei müsse als Nächstes „befreit“werden. Frankreich­s Außenminis­ter ließ keinen Zweifel daran, was in seinen Augen diesen Menschen blüht. So wird die Weltöffent­lichkeit bald wieder das Gleiche miterleben müssen wie in Ost-ghuta – eine apokalypti­sche Bombenhöll­e und die nächsten Massaker durch Nervengift.

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