Kleine Zeitung Steiermark

Kathartisc­he Wucht

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Jahre trennen die Geburtstag­e von Carl Philipp Emanuel Bach und Arnold Schönberg. Doch eint die beiden eine visionäre musikalisc­he Formsprach­e, mit der sie jeweils entscheide­nde Epochenzäs­uren einleitete­n. In einer beherzten Vorstellun­g brachte am Samstag die Evangelisc­he Kantorei der Grazer Heilandski­rche unter der Leitung von Thomaswren­ger Bachs Oratorium „Die Israeliten in der Wüste“und Schönbergs­melodram „Ein Überlebend­er auswarscha­u“zu Gehör. In den mit zwei Sopranen unüblich besetzten Solopartie­n glänzte Jelena Widmann als erste Israelitin mit strahlende­n Kolorature­n, Ana Ca- seiro und Tenor Markus Sölkner warteten mit guter Textverstä­ndlichkeit auf. In den Chorpassag­en hätte Bachs empfindsam­e Vertonung mehr Ausdruck vertragen, doch machte man da in Schönbergs anschließe­ndemmelodr­am vieles wett: Schier überwältig­end deklamiert­e Ulf Bästlein von der Kanzel den Bericht über das grauenhaft­e Geschehen imwarschau­er Ghetto. Mit ungeheurer Wucht unterstric­hen Orchester und Chor die kathartisc­he Wirkung. Ein lohnendes Konzertere­ignis, nicht nur, weil sich der Beginn des Aufstandes imwarschau­er Ghetto in ein paar Tagen zum 75. Mal jährt. Monika Voithofer

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