Macrons Plan zur Wiedergeburt Europas
Gräben überwinden, Einigkeit bei der Bewältigung des Flüchtlingsstroms, Geschlossenheit als Zeichen der Stärke gegenüber dem Rest derwelt: der französische Präsident Emmanuel Macron und seine Rede vor dem Europaparlament in Straßburg.
Er ist der, dem man zutraut, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Mit dynamisch federndem Schritt, sanftem Lächeln, scharfem Blick stellte sich der französische Präsident Emmanuel Macron vor das Rednerpult im Europarlament in Straßburg. Gerade eben hat die Grande Nation mit Großbritannien und den USA syrische Chemiewaffenproduktionen in Schutt und Asche gebombt und sich dafür Applaus aus (fast) allen Lagern geholt. Macron ist einer, dem man aufmerksam zuhört.
Gastgeber Antonio Tajani, Ep-präsident, legt die Latte hoch: „Lieber Emmanuel, heute reden wir über die Zukunft Europas.“Doch im ersten Teil seiner Rede bleibt Macron an der Oberfläche. Er spricht von der Wichtigkeit der Demokratie, großen Umwälzungen wie Digitalisierung und Klimawandel und den geopolitischenherausforderungen in Afrika und im Nahen Osten, den Folgen des Brexits. Und er sagt Sätze wie: „Wenn wir uns nicht klar zur Demokratie bekennen, sind wir auf dem Holzweg. Sie respektiert die Rechte jedes Einzelnen, auch der Minderheiten. Die Antwort auf den Autoritarismus, der uns überall umgibt, ist nicht die autoritäre Demokratie, sondern die Autorität der Demokratie.“
Das klingt gut. Neu ist es nicht. Aber dann geht Macron tiefer. Das Europaparlament sei eigentlich ein Wunder; Vertreter so vieler Parteien, die in der Vergangenheit vieles getrennt habe, friedlich vereint – an das dürfe man sich nicht einfach so gewöhnen, das sei keine Selbstverständlichkeit. „Man kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen“, sagt er mit einem Blick auf die rechten Lager, „wer Wut schürt, nimmt in Kauf, dass es wieder Zerreißproben wie einst gibt.“Dann wird er konkreter. Die Debatte über die Flüchtlingsverteilung sei vergiftet. Sein Vorschlag: Kommunen, die Flüchtlinge aufnehmen, sollen direkt gefördert werden. Er hält fest an der Wirtschafts- und Währungsunion, will die Klimaund Energiedebatte neu entfachen, erinnert an das Pariser Abkommen. Später, in der Fragerunde, wird er sich dafür vom Vorsitzenden der Sozialdemokraten im Eu-parlament, Udo Bullmann, die Frage gefallen lassen müssen: „Warum gehen Sie nicht zu Angela und sagen: An- gela, du reduzierst drastisch den Gebrauch von Kohle und ich reduziere drastisch den Gebrauch von Atomstrom.“
beim Aufbau der inneren Sicherheit und der gemeinsamen Verteidigung, konstatiert Macron, das sei auch wichtig für ein geschlossenes Auftreten nach außen, vor allem gegenüber Russland. Er erneuert den französischen Standpunkt, ebenso wie Deutschland und andere Länder mehr ins EUBudget einzahlen zu wollen – immerhin gehe es um die Zukunft, um eine Wiedergeburt Europas: „Ich will nicht einer Generation der Schlafwandler angehören, sondern die europäische Souveränität verteidigen.“
Wer so spricht, dem ist Zustimmung gewiss. So geschah es, wenn auch garniert mit kritischen Fragen der Abgeordne- ausstraßburg ten, etwa zu Syrien oder der Sozialpolitik. Wie zu erwarten blieb es den rechten Fraktionen vorbehalten, Macron anzugreifen; so etwa Florian Philippot von der rechtsgerichteten EFD, der meinte: „Sie sind nur hergekommen wie ein Musterschüler, umeuropa zu gefallen. Aber die EU ist nicht reformierbar.“
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz kommentierte die Rede wohlwollend mit den Worten: „Für die notwendige Veränderung in Europa ist Macron ein ganz wichtiger Ansprechpartner.“Der ÖVP-DELEgationsleiter im Eu-parlament, Othmar Karas, bezeichnete die Rede Macrons als „Weckruf an die Kleingeister, Bremser, Betonierer und Mutlosen in den Regierungen der Mitgliedstaaten“. Evelyn Regner, Spö-delegationsleiterin, schätzte Macrons „proeuropäische Worte“. Er „steht hier als Gegenentwurf zu einem schlank gesparten Europa, in dem sich Mitgliedstaaten wieder hinter nationale Grenzen zurückziehen“. SPÖ-CHEF Christiankern streute dem Präsidenten Rosen: „Der Platz Österreichs ist an der Seite von Macron und Merkel und Frankreich und Deutschland.“Zustimmung auch vonneos-europaabgeordneter Angelika Mlinar, die sagte, Europas zentraler Wert sei die liberale Demokratie und deren Bewertung durch Macron deshalb „mehr als willkommen“.
Morgen trifft der französische Präsident mit Angelamerkel zusammen. Hauptthemen: Eu-reformen und Syrienkrise.