„Die Ich-ags legen zu und die WIR-AG ist geschwächt“
Franz Küberl, soziales Gewissen im Unruhestand, feiert heute seinen 65. Geburtstag. Der langjährige Caritas-präsident ortet neue Bruchstellen in der Gesellschaft.
Nein, so eine Muppets-funktion wollte ich nie wahrnehmen, die brauchen doch alle den Küberl nicht. Aber ich bin in Absprache mit dem Caritas-direktor noch da und dort ehrenamtlich tätig.
In welchen Funktionen?
Ich habe den Vorsitz im Beirat des Talenteförderungsfonds und bin im Beirat des HeroesProjektes.
Also war für Sie immer klar, Sie können mit der Pension nicht von 150 auf null schalten?
Nein, das würde einen doch innerlich verkümmern lassen. Man hat ja Andockpunkte, was einem früher wichtig war, das legt man nicht einfach ab. Aber ich achte darauf, dass mich mir übertragene Aufgaben nicht auffressen. Da ist nun mehr Zeit für die Familie und für Freunde.
Wie nützen Sie die Zeit, die Ihnen früher nicht gegönnt war?
Wichtig ist mir körperliche Bewegung. Ich gehe drei Mal die Woche auf den Schöckl – auch sonst bin ich viel bergsteigen. Ich verbringe mehr Zeit mit Freunden, bei denen ich aber immer darauf geachtet habe, Zeit zu haben und das zu pflegen. Das Symbol dafür sind die Tarockfreunde, aber von denen sind noch viele berufstätig und haben noch nicht so viel Zeit.
Da spielt Ihnen die Zeit in die Hände?
Ja, die werden auch bald mehr Zeit fürs Tarockieren haben.
Sie waren ja immer ein politischer Kopf. Man hat den Eindruck, in unserem Land stehen sich zwei Lager unversöhnlich gegenüber: Das eine schwingt die Gutmenschen-, das andere die Neonazi-keule. Was ist da passiert?
Die Ich-ags legen immer stärker zu und die WIR-AG ist geschwächt. Und zwar bis hinauf in die Spitzen der Regierung.
Warum ist das so?
Es geht sehr vielen Menschen sehr gut in unserem Land. Aber in diesem Milieu sind viele, die Angst haben, dass sie das alles nicht behalten können. Sie glauben an den Sicherheitsgurt der ICH-AG. Da werden alle anderen, die Probleme haben, schnell zu Fremden. Aber das ist keine Ausländer-diskussion. Es herrscht ein Geist, dass der Schwächere zum Fremden in der eigenen Heimat wird.
Wir leben in einem reichen Land, mit vielen Sozialleistungen. Wird das System durch Umbaupläne der Regierung brüchiger, wie die Opposition kritisiert?
Es ist keine Frage, dass unser Sozialstaat gut dasteht, viel besser als zu Beginn meiner Be-