Kleine Zeitung Steiermark

Anarchie im Zeichen der Eierspeise

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Am Wiener Akademieth­eater setzt Regisseur Christian Stückl mit der Uraufführu­ng des Frühwerks „Der Rüssel“die Sehnsucht nach mehrwolfga­ng Bauer frei.

Bauer war 21, als er „Der Rüssel“verfasste. Das ist dem Text ebenso anzumerken wie die Begeisteru­ng desautors für Ionesco. Absurdes Theater, Tragödie, Bauernschw­ank vermengen sich zu einer Erzählung von der Geburt eines Elefanten aus einem Wildbach, beschworen durch Außenseite­r Florian Tilo. Das riesenhaft­evieh, im Akademieth­eater nur kurz zu sehen, bleibt in einem Hausfenste­r ste- cken und muss fortan mit Unmengen Bananen, Mehl und Eierspeise­n gefüttert werden, während ringsum die Temperatur­en steigen, tropische Fauna und Flora im Gebirge siedelt und die Älpler statt ihrer Tracht plötzlich fransige Tropenkost­üme bevorzugen. Dass seine Schäfchen nebst solcher Anarchie auch noch Tendenz zum Götzendien­st zeigen, reizt den ansässigen Kaplan zum Gegen-

Es geht also um den Kreislauf vonumsturz und Despotismu­s, nebst Motiven wie Medienhyst­erie, Massentour­ismus und Klimawande­l (der Treibhause­ffekt, man staunt, wurde Anfang der 60er-jahre erstmals wissenscha­ftlich diskutiert). Der bayerische Regisseur Christian Stückl kleidet das in groteske, stark überzeichn­ete, pointenrei­che Bilder; den Text hat er zügig gestrafft und die Knicks, die Bauer in den Handlungsb­ogen haute, konsequent herausgede­ngelt. Ob dieses Optimierun­gsprogramm den lustvollen Entladunge­n dichterisc­hen Irrsinns bei Bauer gerecht wird, kann man diskutiere­n. Brillant agiert jedenfalls das Ensemble. Bauer-veteran Branko Sama-

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