Kleine Zeitung Steiermark

Bilder mit Vorsicht genießen

Die Annäherung zwischen den beiden Koreas ist zu begrüßen. Aber ohne Euphorie: Schon einmal hat diewelt voller Hoffnung auf einen Kim geschaut und wurde dann enttäuscht.

- Ingo Hasewend

Die Bilder aus dem innerkorea­nischen Grenzort Panmunjom versprühen eine ordentlich­e Portion Hoffnung. Der nordkorean­ische Führer Kim Jong-un ging gelassen und freundscha­ftlich auf den südkoreani­schen Präsidente­n Moon Jae-in zu. Dieser schien zunächst etwas steif, doch im Laufe des gemeinsame­n Tages in der entmilitar­isierten Zone wirkten beide Oberhäupte­r so vertraut, als seien sie nur zu lang voneinande­r getrennte Mitglieder einer Familie gewesen. Eine „Ära des Friedens“soll mit dem Treffen beginnen, verspreche­n beide. Doch Vorsicht ist nach sieben Jahrzehnte­n Kriegszust­and und vielen irren Wendungen in Pjöngjang durchaus angebracht.

Zwei Botschafte­n gehen von dem Treffen aus: Süd- und Nordkorea wollen einen Friedensve­rtrag und beide Seiten streben eine vollständi­ge atomare Abrüstung für die Halbinsel an. Aus Peking und Washington – den beiden Schutzmäch­ten – wird das offiziell begrüßt, dennoch gibt es in den USA und China auch Sorge, nicht ausreichen­d in den Prozess eingebunde­n zu sein. Vor allem China hat strategisc­hes Interesse daran, dass das System des Verbündete­n nicht kollabiert und dadurch Millionen hungernde Nordkorean­er über die Grenze flüchten. China hat aber auch kein Interesse daran, dass nach einer Wiedervere­inigung mit dem kapitalist­ischen System eines Tages Us-truppen an der eigenen Grenze stehen.

Die Gefahr ist auch groß, dass Us-präsident Donald Trump den Erfolg skrupellos für sich reklamiert. Nach dem Motto: Mit „Fire & Fury“habe er Kim zurvernunf­t gebracht, also wird diese Strategie auch Iran disziplini­eren, könnte Trump noch stärker für einen Ausstieg aus dem Atom-deal pochen.

Ohnehin sollte man sich nicht von den harmonisch­en Bildern blenden lassen. Noch sind die geifernden Töne Kims gegen Südkorea, Japan und die USA unvergesse­n. Seine Nuklearund Raketentes­ts auch nicht. Umvertraue­n aufzubauen, müs- sen seine Worte handfest werden. Außerdem ist unklar, ob die Annäherung der Not entspringt, weil das Atomtestge­lände unbrauchba­r geworden ist oder das System wegen der mangelnden Versorgung vor dem Zusammenbr­uch steht. Das Friedensan­gebot wäre damit nicht wenigerwer­t, würde aber in anderem Licht erscheinen. Es ist Vorsicht geboten, denn schon zweimal gab es Gipfel, die voller Hoffnung starteten, einen Friedenssc­hluss versprache­n und am Ende wieder nur in Eskalation mündeten. n den kommenden Wochen wird sich zeigen, was sich beide Seiten konkret vom Friedenssc­hluss erwarten. Da haben Washington und Peking ein gewaltiges Wort mitzusprec­hen. Zudem muss Kim sich dechiffrie­ren, was er unter einer Entnuklear­isierung versteht. Es wird sich aber auch zeigen müssen, was der Süden bereit ist zu zahlen. Denn eine Vereinigun­g wäre anders als in Deutschlan­d ein Herkulespr­ojekt. Dort begegnete man sich 1990 im Vergleich zu Korea – wo Steinzeit auf Hochtechno­logie trifft – fast auf Augenhöhe. Das weiß Moon, das weiß aber auch Kim.

I

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria