Von Martin Gasser
Während zwei deutsche Rapper einen Antisemitismus-skandal provozieren, erhält ein Us-kollege den Pulitzerpreis. Kurz später freundet sich ein nächster mit Donald Trump an. Literatur, Volksverhetzung, Nonkonformismus: Rap ist die schillerndste Popsprache der Gegenwart.
werkten. Wobei dessen Rücksichtslosigkeit als Notwehr gegenunterdrückung und Rassismus gemeint war. Die „Parental Advisory“-sticker, die vor der derben Sprache warnen sollten, prangten auf jeder Rap-platte. Und machte uns Hörer stets auch neugierig.
Doch Rap wurde zusehends kommerzieller, plumper, witzloser. Eine Krise, die man allmählich überwand. Rapper knüpften an die kreativen Wurzeln des Hip-hops an. Reimkünstler mit sozialem und literarischem Gespür. Jay-z, Tyler the Creator, Mos Def, Drake, Vince Staples, Chance the Rapper, Future undkendrick Lamar haben Hip-hop als spannendste Popmusik der Gegenwart etabliert, die ein grimmiges, düsteres Bild amerikanischer Gegenwart zeichnet. Die Jury des Pu- litzerpreises sprach angesichts von Kendrick Lamars epochalem Album „Damn“von einer „virtuosen Sammlung“, die „ergreifend“die Lebensrealität von Afroamerikanern porträtiere. Vor diesem Hintergrund ist es auf den ersten Blick irritierend, dass Mega-rapper Kanyewest jüngst Sympathien für Donald Trump entwickelte – doch wirklich überraschend ist es nicht. Hier haben zwei Egomanen einander gefunden, denen auch die Lust an der Provokation und der Hass auf Konventionen gemein ist. Vermeintliche Supermänner unter sich. n Deutschland treibt der Gangsta-rap noch immer Blüten. Bei den BilligsdorferReimen von Kollegah und Farid Bang sind Lust an der Provokation und Marketingkalkül kaum
Iunterscheidbar. Der Satz „Mein Körper definierter als von Auschwitz-insassen“ist inakzeptabel, obwohl hinter der unsäglichen Herabwürdigung von Opfern wohl kein Antisemitismus, sondern die drastische Überhöhung von genretypischen Stilmitteln steht. Rap transportiert bei Kollegah und Kollegen keine Auseinandersetzung mit der Welt, sondern dümmliche Machoposen. Das mag man so lange als überdrehte Realsatire gerade noch erträglich finden, bis Worte wie „Auschwitz“und „Holocaust“fallen. Worte, die nicht trivialisiert oder ironisiert werden dürfen. Niemals, bis ans Ende unserer Tage. Wenn Rap von der Sprache der Entrechteten zum zynischen Instrument herabsinkt, dann verliert er seine Legitimation.