Schwarze Mitläufer
Nach der SPÖ hat endlich auch die ÖVP ihre Historie nach braunen Flecken durchforstet. Die Aufarbeitung der Vergangenheit muss mehr sein als eine Spielwiese für Historiker.
Der Zeitpunkt ist nicht ganz zufällig. Vor zehn Jahren erteilte die ÖVP einer Historikerin denauftrag, die eigene Geschichte auf braune Flecken abzuklopfen. Die SPÖ hatte unter dem Eindruck der Enthüllungen über EuthanasieArzt Heinrich Gross, der nach 1945 die rote Karriereleiter hinaufgeklettertwar, eine Historikerkommission eingesetzt. Diese legte 2005 einen wenig schmeichelhaften Bericht über die Verstrickungen der vermeintlich antifaschistischen SPÖ mit dem braunen Faschismus vor. Die ÖVP zog nach, der Tod einer Historikerin brachte das Vorhaben zum Erliegen, nun liegt daswerk vor.
In der Övp-zentrale wirdwenig dem Zufall überlassen. Am Wochenende gedenkt Österreich der Befreiung von Mauthausen, in einer Woche jährt sich die Kapitulation des NaziRegimes. Das Herumeiern der FPÖ bei der Aufarbeitung der eigenen Geschichte sowie die immer wiederkehrenden blauen Ausrutscher bringen den Kanzler zunehmend in Erklärungsnotstand. Da erscheint die 200 Seiten dicke Studie über die Verfehlungen der eigenen Bewegung zur richtigen Zeit.
Was darin zutage gefördert wurde, ist durchaus beachtlich. So wurden die Biografien von 560 Övp-politikern systematisch durchforstet und auf Mitgliedschaften in Ns-organisationen hin abgeklopft. Das Vorhaben gestaltete sichwegen der überraschend kafkaesken NaziBürokratie schwieriger als angenommen. 63 Övp-politiker wurden als Problemfälle herausdestilliert, in 17 Fällen widersprachen sich die Karteien, ob jemand dernsdapangehörte oder nicht. Vier Övp-politiker waren mehr als simple Mitläufer. Unter dem Strichwar die ÖVP genauso mit alten Nazis durchsetzt wie die SPÖ, die Volkspartei nahm sogar mehr Illegale auf als die SPÖ.
Vor einer moralischen Bewertung schrecken die Studienautoren zurück. Zu wenig ist über den jeweiligenwerdegang bekannt, als dass über jemanden der Stab gebrochen werden könnte. Am besten ist noch der Fall Kurt Waldheim dokumentiert, der als Sinnbild für die in Österreich bis zur Perfektion betriebene Kunst des Verdrängens und des Verleugnens herhalten muss. So gesehen ist eine schonungslose Auflistung wohltuend.
Was in der verdienstvollen Arbeit zu kurz kommt, ist der Wettlauf, den sich SPÖ undövp nach Ende des Zweiten Weltkriegs um die Gunst der alten Nazis geliefert haben. Die SPÖ hat vor Jahren interne Protokolle veröffentlicht, die die erschreckende Dreistigkeit der Sozialdemokraten beim Werben um alte Nazis dokumentiert. arum die Aufarbeitung der Geschichte kein Nebenschauplatz sein darf, keine Spielwiese für Historiker? Wer an eine besserewelt glaubt, muss mit den Abgründen der menschlichen Existenz vertraut sein. Die Vergangenheit lehrt uns, dass die Bestialität nicht nur in den Köpfen von Psychopaten und Sadisten schlummert. Politisch-ideologischer Fanatismus führt ganze Gesellschaften ins Verderben.
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