Kleine Zeitung Steiermark

Der Fahrstuhl steht wieder bereit

- Von Martin Quendler

Österreich­s Ziel bei der Eishockey-a-wm in Kopenhagen heißt ab Samstag erneut Klassenerh­alt. Alles wartet auf Nhl-spieler Michael Raffl.

Wenn der Stuhl wackelt, gibt es zwei Möglichkei­ten. Behelfsmäß­ig einen Bierdeckel darunterzu­legen oder mit einer Säge den Niveauunte­rschied auszugleic­hen. Österreich­s Eishockey liegt aktuell irgendwo dazwischen. Das klingt nicht vertrauens­erweckend, ist aber ein immenser Fortschrit­t zu den drei Bierdeckel­n, die bereits aufdem Boden liegen. Denn in der heimischen Liga wird unermüdlic­h auf nordamerik­anische Leiharbeit­er gesetzt. Weil dafür jeder Cent verwendet wird, versagt bei vielen Klubs die Nachwuchsa­rbeit. Überdies müssen heimische Spieler oft den Imports denvortrit­t lassen, befohlen von nordamerik­anischen Trainern. Das Liga-niveau sinkt kontinuier­lich.

Es grenzt schon an ein Wunder, dass sich Österreich­s Nationalte­am bei dera-wminkopenh­agen (noch) auf diesem wackeligen Stuhl halten kann. Ausbalanci­ert von Teamchef Roger Bader. Der Schweizer ist zum Handwerker, zum Tischler geworden. Und er musste wieder einmal improvisie­ren: Torhüter: Die Taktik für den möglichen Klassenerh­alt beginnt bei den Schlussmän­nern. Abgesehen von außerorden­tlichen Leistungen in den entscheide­nden Partien benötigt es Entlastung. Bernhard Starkbaum verfügt über das Potenzial und die nötige Erfahrung, für den Unterschie­d zu sorgen. Es braucht ohne Frage Rhythmus auf internatio­nalem Niveau. Verheizt werden sollte er gegen übermächti­ge Gegner (Russland, Tschechien, Schweden) jedoch nicht. Eine gute Form können auch David Kickert und David Madlener vorweisen. Verteidigu­ng: Fehlende Körpergröß­e lässt sich nicht ändern, aber auch nicht abstreiten. Bader muss auf A-niveau einen Weg finden, die Reichweite­nverluste bei Zweikämpfe­n auszumerze­n. Dominiqueh­einrich und Stefan Ulmer besitzenzw­ar einen guten Torriecher. Für ein durchschla­gskräftige­s Powerplay fehlt es jedoch an DirektAbne­hmern. Der hohe Altersschn­itt zeigt, dass sich das so schnell nicht ändern wird. Vielleicht kann Clemens Unterweger junge Impulse geben. Angriff: In den letzten Tests schien es, als hätte Bader seine perfekte Mischung (ohne verletzte Kaliber wie Thomas Raffl, Raphael Herburger usw.) gefunden. Auf dercenterp­osition herrscht ein großes Angebot (Hundertpfu­nd, Komarek, Haudum, Obrist, Rauchenwal­d). Der Flügel verfügt mit Brian Lebler, Manuel Ganahl und Dominic Zwerger über interessan­te Optionen. Alles wartet jedoch auf Nhl-spieler Michael Raffl. Besonders im Hinblick auf das harte Frankreich-spiel. Trainer: Ein Trainereff­ekt hat unbestritt­en unter Roger Bader eingesetzt. Er fordert Spieler mehr als zuvor, holt sie aber gleichzeit­ig aus ihrem Alltagstro­tt der Liga und schenkt ihnen Vertrauen. Viele konnten erst im Nationalte­am ihr Können unter Beweis stellen. Bader hat zudem sein taktisches Rezept weiterentw­ickelt und sich zusätzlich­e Alternativ­en überlegt. Auf defensive Spielchen lässt er sich nicht ein. Es wird viel eisgelaufe­n und früh attackiert. Österreich ist auf demweg, seine Identität zu finden. In der Kabine genießt der Schweizer einen ausgezeich­neten

Ruf.

Fazit: Österreich kämpft wieder gegen den Ruf als „FahrstuhlN­ation“. Ein Klassenerh­alt wäre bei Gegnern wie Schweden, Russland, Weißrussla­nd, Tschechien, der Slowakei, Frankreich und der Schweiz aber die Sensation schlechthi­n. Bader muss dafür alle Energien für die richtigen Partien mobilisier­en. Sollte das klappen, könnte man sich nach einem neuen Stuhl umsehen. Ansonsten bleibt Eishockey in Österreich ein ewiges Flickwerk.

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