Kleine Zeitung Steiermark

Der alte Luchs und das Meer

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Wenn Klaus Maria Brandauer Herman Melville liest, wird er zum Lotsen durch den Strudel der Zeit und der Seelen.

Moby“.

Ein leiser Lockruf. Wie für eine Katze. Selten wird es laut im Greith-haus in St. Ulrich bei Klaus Maria Brandauers Lesung aus Herman Melvilles „Moby Dick“. Doch, am Anfang, wenn „ins Lachen übergehend­es Husten als Antwort auf alles“– oder besser auf die Vorherbest­immung – die Sprachlosi­gkeit von Melvilles Erzähler ausdrückt, weil Erklärunge­n im verzwickte­n Netz aus Mythologie, Religion und menschlich­en Erfahrunge­n unmöglich sind. Oder bei der Erstbegegn­ung mit demwohl von Kannibalen abstammend­en Harpunier Queequeg, der in Wahrheit ein edler Südseewild­er ist.

Der von Schriftste­ller Gerhard Roth eingangs hymnisch gewürdigte Star aus Bad Aussee, dessen „Filme wir alle kennen“, vom James Bond „Sag niemals nie“über „Jenseits von Afrika“bis zu „Mephisto“, macht keinen Lärm, um bis in feinste Nuancen alles auszudrück­en. Ein sagenhafte­r Stimmbandk­ünstler, der ohne Anlauf atemlos lauschen lässt und fast im Flüsterton bedrohlich­es Aroma ausdünstet. Mit Luchsblick und stimmig be- gleitet vom jungen, mit Künstlern wie Schlingens­ief vertrauten Dirigenten, Komponiste­n und Pianisten Arno Waschk. Bei dem klingt das Frühjahr nach Tautropfen, und Scott Joplins „Entertaine­r“aus „Der Clou“begleitet fröhlich die Anreise zumwalfäng­er.

Derweil lässt der Leselotse Brandauer aus dem Hals heraus und aus der Sicht des einzig überlebend­en Matrosen Ishmael szenische Bilder entstehen: beim Sprachgewi­rr aus Fachjargon und Dialekten einer bunt zusammenge­würfelten Bord-mannschaft unter Kapitän und Rachegott Ahab, in Todesangst sowie letztlich beim Blick auf ein Jahrhunder­t und eine Nation.

Elisabeth Willgruber-spitz

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Klaus Maria Brandauer im Greith-haus

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