Eine Lücke im System
Der Abgang von Matthias Strolz aus dem Parlament ist für seine Partei ein schwerer Schlag, für die Politik ein Verlust. Seine unkonventionelle Munterkeit wird fehlen.
Matthias Strolz ist ein untypischer Politiker. Ungeschützt, ungestüm, unkonventionell und hochemotional polterte er 2013 ins Parlament. Was er in seinem Vorleben als Coach und Trainer an Motivations- und Kommunikationstechniken gelernt hatte, nahm er inshohe Haus mit und in die Neosphäre, den ausgebauten Dachboden, den die Partei als Hauptquartier wählte. Im ersten Schwung gelang es, Tausende vor allem junge Menschen zur unentgeltlichen Mitarbeit hinzureißen, frische Ideen einzubringen, am Programm mitzuarbeiten, Folder auszuteilen. Nur so konnte es gelingen, mit relativ wenig Geld eine neue Partei im ersten Anlauf ins Parlament zu katapultieren.
Wer seinen bisherigen Werdegang verfolgt hat, hätte gewarnt sein können. Strolz versteht sich als Gründer, Anreger, Ermöglicher. Schon bisher hat er sich immer wieder von Dingen getrennt, wenn sie einmal funktionierten. Was also ist logischer, als zu gehen, wenn die Partei sich so weit etabliert hat, dass auch ohne den quirligen Gründer eine Überlebenschance bestehen könnte?
Selbstverständlich ist das nicht. Das Team Stronach war mit dem Abgang seines originellen Erfinders praktisch von der Bildfläche verschwunden und der Liste Pilz geht es ähnlich. Ohne Peter, den Gründer, taumeln die verbliebenen Abgeordneten ohne Orientierung vor sich hin. Wenn alles bleibt, wie es ist, wird die Liste eine Episode bleiben wie das Team Stronach ohne Stronach und das BZÖ ohne Haider.
Von Beginn an traten die Neos mehrstimmig auf. Matthias Strolz dominierte zwar aufgrund seiner Umtriebigkeit, doch schärften auch andere neben ihm ihr Profil, nicht immer zum Vorteil des Ganzen. Niko Alm zum Beispiel, der die Neos für sein Hobby, den Kampf gegen etabliertereligionsgemeinschaften, missbrauchte, hielt es nicht lange in der neuen Partei. Die Namen Scherak, Loacker, Schellhorn, Meinl-reisinger konnten sich neben dem des Gründers etablieren, vielleicht ließ er ihnen auch bewusst den Vortritt, weil sein Engagement von Anfang an ein Ablaufdatum hatte.
Was keiner seiner Leute ersetzen kann, das ist der ungebremste Optimismus, den Strolz auch noch in Niederlagen auszustrahlen verstand. In Zeiten verbreiteter Verdrossenheit (nicht nur an der Politik) hielt er das öffentliche Aushandeln der gemeinsamen Verhaltensregeln – alias Gesetze – für ein schönes, wichtiges Geschäft. Der Zynismus des Betriebs blieb ihm bis zuletzt fremd, auch die Schablonenhaftigkeit des Redens der Protagonisten. Strolz exponierte sich auch persönlich, auf die Gefahr hin, sich lächerlich zu machen. Der Hohn, der ihm nach der Publikation eines Gedichts entgegenschlug, ging nicht spurlos an ihm vorbei. In seiner Abschiedsrede erwähnte er die Episode sogar noch einmal. Geändert hat er sich nicht.
Ob sein Geschöpf schon reif genug ist, ohne ihn zu bestehen, wird sich bald zeigen. Wichtig wäre ein liberales Element im Parlament jedenfalls.