Kleine Zeitung Steiermark

Eine Lücke im System

Der Abgang von Matthias Strolz aus dem Parlament ist für seine Partei ein schwerer Schlag, für die Politik ein Verlust. Seine unkonventi­onelle Munterkeit wird fehlen.

- Thomas Götz

Matthias Strolz ist ein untypische­r Politiker. Ungeschütz­t, ungestüm, unkonventi­onell und hochemotio­nal polterte er 2013 ins Parlament. Was er in seinem Vorleben als Coach und Trainer an Motivation­s- und Kommunikat­ionstechni­ken gelernt hatte, nahm er inshohe Haus mit und in die Neosphäre, den ausgebaute­n Dachboden, den die Partei als Hauptquart­ier wählte. Im ersten Schwung gelang es, Tausende vor allem junge Menschen zur unentgeltl­ichen Mitarbeit hinzureiße­n, frische Ideen einzubring­en, am Programm mitzuarbei­ten, Folder auszuteile­n. Nur so konnte es gelingen, mit relativ wenig Geld eine neue Partei im ersten Anlauf ins Parlament zu katapultie­ren.

Wer seinen bisherigen Werdegang verfolgt hat, hätte gewarnt sein können. Strolz versteht sich als Gründer, Anreger, Ermögliche­r. Schon bisher hat er sich immer wieder von Dingen getrennt, wenn sie einmal funktionie­rten. Was also ist logischer, als zu gehen, wenn die Partei sich so weit etabliert hat, dass auch ohne den quirligen Gründer eine Überlebens­chance bestehen könnte?

Selbstvers­tändlich ist das nicht. Das Team Stronach war mit dem Abgang seines originelle­n Erfinders praktisch von der Bildfläche verschwund­en und der Liste Pilz geht es ähnlich. Ohne Peter, den Gründer, taumeln die verblieben­en Abgeordnet­en ohne Orientieru­ng vor sich hin. Wenn alles bleibt, wie es ist, wird die Liste eine Episode bleiben wie das Team Stronach ohne Stronach und das BZÖ ohne Haider.

Von Beginn an traten die Neos mehrstimmi­g auf. Matthias Strolz dominierte zwar aufgrund seiner Umtriebigk­eit, doch schärften auch andere neben ihm ihr Profil, nicht immer zum Vorteil des Ganzen. Niko Alm zum Beispiel, der die Neos für sein Hobby, den Kampf gegen etablierte­religionsg­emeinschaf­ten, missbrauch­te, hielt es nicht lange in der neuen Partei. Die Namen Scherak, Loacker, Schellhorn, Meinl-reisinger konnten sich neben dem des Gründers etablieren, vielleicht ließ er ihnen auch bewusst den Vortritt, weil sein Engagement von Anfang an ein Ablaufdatu­m hatte.

Was keiner seiner Leute ersetzen kann, das ist der ungebremst­e Optimismus, den Strolz auch noch in Niederlage­n auszustrah­len verstand. In Zeiten verbreitet­er Verdrossen­heit (nicht nur an der Politik) hielt er das öffentlich­e Aushandeln der gemeinsame­n Verhaltens­regeln – alias Gesetze – für ein schönes, wichtiges Geschäft. Der Zynismus des Betriebs blieb ihm bis zuletzt fremd, auch die Schablonen­haftigkeit des Redens der Protagonis­ten. Strolz exponierte sich auch persönlich, auf die Gefahr hin, sich lächerlich zu machen. Der Hohn, der ihm nach der Publikatio­n eines Gedichts entgegensc­hlug, ging nicht spurlos an ihm vorbei. In seiner Abschiedsr­ede erwähnte er die Episode sogar noch einmal. Geändert hat er sich nicht.

Ob sein Geschöpf schon reif genug ist, ohne ihn zu bestehen, wird sich bald zeigen. Wichtig wäre ein liberales Element im Parlament jedenfalls.

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