Zum Kongress
ist, Gewissheiten, materieller Wohlstand, körperliche Unversehrtheit. Es gibt andere, denen fehlt, dessen wir uns rühmen: Gleichberechtigung, Wohlstand, Freiheit. Es gabkriege, in denen einmenschenleben nichts galt, und es gibt totalitäre Systeme, die imstande sind, das Schlimmste in uns hervorzuholen.
Lesen hat mitwagemut zu tun. Es bedeutet Überschreiten – der eigenen Grenzen, des eigenenhorizonts. Natürlich liest man auch zum Zeitvertreib, weil Lesen unbestreitbar Lustgewinn ist. Erzählen übrigens auch! Trotz aller Klopfgeräusche ist Literatur keine moralische Besserungsanstalt.
„Geschichtenwerdenerzählt, um etwas zu vertreiben. Im harmlosesten, aber nicht unwichtigsten Fall: die Zeit. Sonst und schwerer wiegend, die Furcht.“(Hans Blumenberg, „Arbeit ammythos“). Ein Roman sollte nicht geschrieben werden, weil man seine Leser bekehren will. Nichts tötet einen Text rascher als eine Absicht. Ich schreibe, weil ich den spontanen, ungeplanten Ausdruck suche, wahrhaftige Bilder. Wer schreibt, muss aushalten, dass wenige wahrhaftige Sätze neben vielen nachahmenden Sätzen stehen.
Wann wird Literatur lebendig? Imaugenblick des Lesens? Wenn man Fragen an den Text stellt? Mit anderen darüber spricht? Meine Begegnung mit einem Text ist immer ein Zwiegespräch. Meine Kommunikation besteht darin, Bücher zu empfehlen oder zu verschenken – selten zu verleihen, denn ich weiß ja, sie kommen nicht zurück. Literatur entsteht durch Leser, die den Text mit Bildern, Erinnerungen, Fragen lebendig werden lassen, sich dazu in Beziehung setzen. Lesen ist kein rezeptives, passives Tun, sondern eine schöpferische Tätigkeit. Was nicht bedeutet, dass Geschichten simple Projektionsflächen sind – ebenso wie ein Ort, den wir nicht kennen, oder eine Zeit, die nicht die eigene ist, zu einer Projektionsfläche werden sollte. Das Andere hat einenwert für sich, kann zwar übersetzt, aber nicht überschrieben werden.
Ich hadere manchmal damit, dass mich meine Geschichten immer wieder an die Orte meiner Herkunft führen. Auszusprechen, dass ich Heimweh nach Orten habe, die es nicht mehr gibt, fällt mir noch immer schwer. Die Gemeinschaft, in dermeinefamilie lebte, hat sich von dem Landstrich gelöst, der über 850 Jahre ihre Identität geprägt hat. Meine Urgroßeltern Vermittelnde (W)orte. Anlässlich des Jubiläums „100 Jahre Republik Österreich“setzt sich der Büchereiverband Österreichs 2018 intensiv mit demthema„bibliotheken und Demokratie“auseinander. Imrahmen des Bibliothekskongresses in Graz sind Vorträge, Workshops und Diskussionen dem Thema gewidmet. 16./17. Mai, Congress Graz. Vortrag von Iris Wolff: Mittwoch, 10 Uhr. Besuch aller Veranstaltungen nach Voranmeldung unter: kongress18.bvoe.at
waren österreichische, dann ungarische Staatsbürger; meine Großeltern königlich-rumänisch, dann wie meine Eltern sozialistisch-rumänisch. Die ersten acht Jahrewar ich rumänische, seit 32 Jahren bin ich deutsche Staatsbürgerin. Mich interessieren die Überlagerungen dieser Epochen, sie durchdringen einander, verschwinden nie ganz. Die Sprachen, die Erzählungen, das Bilderinventar machen diesen Kulturraum für mich faszinierend. Ich schreibe, damit die Erinnerung daran lebendig bleibt. Ich schreibe, um diese Orte noch betreten zu können. Damit andere sie in ihrer Phantasie betreten. Undweil das Schreiben, neben der Liebe, der schönste Zustand ist, den ich kenne. esen und Schreiben sind Aggregatzustände ein und derselben Sache, sagtwolfganghegewald. Beides sind unendliche Erkenntnisvorgänge, jede einzelne Stimme, jede Lesart ist wichtig. Bibliotheken betritt man immer in doppelter Richtung: Sie führen in die Welt und gleichzeitig auf uns selbst zu. Die Forderung von Gilbert Keith Chesterton, dass in einer Demokratie auch die Toten Stimmen haben sollten, wird nur an Orten erfüllt, die voller Bücher sind.
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