Großer Aufmarsch für den Sultan in Sarajevo
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdo˘gan ruft seine Anhänger in der Diaspora zur Großkundgebung nach Bosnien.
Den Anhängern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan˘ in der Fremde steht ein auszehrender Pfingstausflug bevor. Hunderte vonautobussen sollentausende Exil-türken aus ganz Westeuropa am Pfingstwochenende in Bosniens bergige Hauptstadt Sarajevo karren. Der Grund für ihre kräftezehrende RamadanReise: In der früheren Osmanen-stadt steigt ihr Idol am 20. Mai in die Wahlkampfarena.
Mit der Großkundgebung „im Herzen Europas“werde er diejenigen europäischen Politiker „überraschen“, die seine Wahlkampfauftritte in ihren Staaten verboten hätten, ließ Erdogan˘ unlängst im türkischen Parlament verlauten. Doch obwohl viele muslimische Bosniaken in der Türkei ihre Schutzmacht sehen, ist dessen Wahlkampfgastspiel in Sarajevo keineswegs unumstritten. Die FacebookGruppe „Sarajevo-bürger gegen die Erdogan-˘ Kundgebung“wirft der größten Bosniaken-partei SDA und deren Chef Bakir Izetbegovic´ gar ein „Vasallen-verhältnis“zu Erdogan˘ vor – und kündigt Proteste an: „Die Kundgebung ist ungesetzlich, schürt Spannungen – und ist nicht gut für die Völker und Bürger von Bosnien.“
Türken leben auf dem jahrhundertelang von den Osmanen beherrschtem Balkan kaum mehr. Doch obwohl die Auslandsorganisation der AKP die 20.000 Plätze in der für die Olympischen Winterspiele von 1984 errichteten „Zetra-halle“nur mit herbeigekarrten Erdogan-˘anhängern aus Deutschland und Österreich füllen kann, hofft der AKP-CHEF, mit seinem Wahlkampfabstecher in Sarajevo gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.
sollen die Bilder eines umjubelten BosnienAuftritts ihn als einflussreichsten Politikers auf dem Balkan präsentieren – und die stimmentscheidenden Wähler in der Diaspora mobilisieren. Gleichzeitig will Erdogan˘ den Eu-staaten trotzig signalisieren, dass er sich auch von Auftrittsverboten nicht bremsen lässt, den türkischen Einfluss in der Region demonstrieren – und seinem bosnischen Busenfreund Izetbegovic´ Schützenhilfe leisten.
Auch in Bosnien undherzegowina stehen im Herbst Wahlen an. Nach zwei Amtszeiten kann SDA-CHEF Izetbegovic´ zwar nicht mehr für den Posten des muslimischen Vertreters im dreiköpfigen Staatspräsidium kandidieren. In Sarajevo wird indes spekuliert, dass er seine Frau Sebija zur Sda-kandidatin küren lassen könnte – nicht zuletzt zur Absicherung seines keineswegs mehr unumstrittenen Partei-vorsitzes.
In Brüssel stößt der Aufmarsch für den „Sultan“auf eher skeptische Reaktionen: Dass neben Moskau verstärkt auch Ankara im Eu-wartesaal den Einfluss zu vergrößern sucht, wird von den Eu-partnern misstrauisch beäugt. Kritische Nachfragen zum Erdogan-˘ Auftritt bekam Izetbegovic´ letzte Woche von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel zu hören. Selbst sieht der SDA-CHEF für deren Argwohn keinen Grund. Er habe Merkel gesagt, dass Erdogan˘ ein „Freund Bosniens“und an dessenvisite „nichts Fragwürdiges“sei: „Weder Merkel noch Erdogan˘ sind in Bosnien die Chefs: Beide sind hier willkommen.“