Der Herr der Bücher
Der Kolumbianer José Alberto Gutiérrez erzählt heute in Graz, wie er als Müllmann eine einmalige Bibliothek aufgebaut hat.
José Alberto Gutiérrez ist seit mehr als 20 Jahren Müllmann in Bogotá. Als er eines Morgens in der kolumbianischen Hauptstadt eine Ausgabe von Leo Tolstois „Anna Karenina“aus dem Abfall zog, sollte dies sein Leben verändern: „Es war eine wunderbare Entdeckung: Mir wurde bewusst, dass Leute Bücher einfach in den Abfall werfen, also fing ich an, sie zu retten.“
Im Jahr 2000 eröffnete er mit seiner Frau Luz Mery und ihren drei Kindern im Erdgeschoß seines Häuschens im Arbeiterviertel Nueva Gloria eine Bibliothek mit dem aussagekräftigen Namen „Die Macht derworte“. In dem nur 90 Quadratmeter großen Labyrinth aus Papier sind Romane, Lyrikbände, Ratgeberbände et cetera kostenlos auszuleihen.
Längst ist der 55-Jährige, der als Kind nur die Volksschule besuchte, aber von seiner Mutter mit der Liebe zum Lesen „erleuchtet“wur- de, in seinem südamerikanischen Heimatland als „Herr der Bücher“bekannt. Er versorgt Arme, Schulen und Kommunen im ganzen Land mit Buchspenden, wodurch viele weitere kleine Bibliotheken entstanden sind.
Gutiérrez, der schon etliche Nachahmer gefunden hat – etwa bei der städtischen Müllabfuhr in Ankara –, erzählt heute im Rahmen des Internationalen Bibliothekskongresses in Graz von seiner Arbeit.