Das Böse hinter der Maske des Normalen
Wenn ein Mensch einem Kind die Kehle durchschneidet, folgt schnell die Erklärungsschablone „Der muss krank sein“.
nicht daran denken, wie die siebenjährige Hadish gelitten hat. Nur nicht an ihre Hilflosigkeit, ihre Angst, ihre Ohnmacht denken. Und nicht daran, dass es jedes Kind treffen kann, wenn es sich zur falschen Zeit am falschen Ort befindet, genau an jener Stelle, an der ein Mensch mit einem Messer in der Hand steht, der gerade eine unbändige Wut hat und sich dieser Wut mit Messerstichen entledigt. Wie oft heißt es dann, solche Menschen können nur krank sein. Wie könne ein „normaler Mensch“die Brutalität Carina Kerschbaumer aufbringen, auf ein wehrloses Kind mit einem Messer einzustechen? Gefühllosigkeit und „fehlende Beseelung“diagnostizierte eine Psychiaterin. Wie anders ist auch zu erklären, dass ein 16-Jähriger sagt, er empfinde Mitleid mit der Mutter des getöteten Mädchens, nicht aber für das Kind, das schrie und weinte. Ein Gymnasiast, der als „freundlich und intelligent“beschrieben wird. Ein „fescher Bursch, dem man das nie zutrauen würde, wenn man ihn auf der Straße sieht“, sagte ein Polizist.
Die Frage, ob Menschen, die grauenvolle Taten begehen, „sicher krank sein müssen“, begleitet Gerichtspsychiater seit Jahrzehnten. Sie können, müssen aber nicht krank sein, lautet dann ihre Antwort. Erklärungsschablonen wie „Der muss krank sein“würden aber benö- tigt, weil sie Distanz zu Unbegreiflichem schaffen und die Erkenntnis vergessen lassen, dass auch gesunde Menschen schrecklichste Taten begehen. Oder, wie es ein Psychiater einmal sagte, dass das Böse nicht unbedingt einer Krankheit bedarf. Wie das Böse sich auch zu oft hinter der Maske desnormalen und Unauffälligen verbirgt.
Motiv im Fall der ermordeten Hadish der mutmaßliche Täter wirklich hatte, werden Gutachter im Prozess beantworten müssen. Hoffentlich ohne Fragezeichen.