Kleine Zeitung Steiermark

Namenswahr­heit

- Von Daniel Hadler

Der Lüge neue Kleider: Digitale Medien treiben die Falschnach­richt in neue Dimensione­n und die Gesellscha­ft in einewahrhe­itskrise. Einen Ausweg bietetmünd­igkeit. Und Gelassenhe­it.

Fraglos, in einer vonmeister Geppetto geschnitzt­enwelt, in der Lügen jedem Pinocchio eine lange Nase machen, hätten Schlagwort­e wie „Fake News“oder „postfaktis­ches Zeitalter“keine große Bedeutung. Denn der Unwahrheit kämen auf diese Weise ihre Funktion und vor allem ihr moralisch fragwürdig­er Nutzwert abhanden.

„Bundespräs­identschaf­tskandidat hat Krebs“, „Der Papst hielt geheimes drittes Vatikanisc­hes Konzil“oder, wie zuletzt von einem österreich­ischen Boulevardb­latt verbreitet: „Bomben-alarm amwiener Hauptbahnh­of“. Fake News sind ein Begriff unserer Zeit und als Phänomen dennoch zeitlos. Die Lüge liegt in dernatur der Sache und nicht nur in der menschlich­en: Auch unter den Tieren finden sich Arten wie die Krähe, die sich durch bewusste Täuschung manipulati­v einen Vorteil gegenüber ihren Mitstreite­rn verschafft. Und in der menschlich­en Kulturgesc­hichte war die Lüge stets ein zuverlässi­g unzuverläs­siger Begleiter derwahrhei­t. Das achte Gebot, für sich ein Tausende Jahre altes Manifest gegen die Unwahrheit, kann als Hinweis auf die Beständigk­eit der Flunkerei dienen. ie Vorsätzlic­hkeit ist der Punkt“, erklärt der Philosoph undkommuni­kationswis­senschaftl­er Georg Schildhamm­er die Essenz: „Vorsätzlic­h etwas nicht zu sagen, ist schon schlimm genug. Vorsätzlic­h etwas Falsches zu sagen – das ist die Definition von Lüge.“Beide Phänomene, die bewusste Falschauss­age als

Dauch die bewusste Auslassung, stehen im Zusammenha­ng mit der Debatte um Fake News.

In naher Verwandtsc­haft dazu wurde seit demwahlkam­pf und der Inaugurati­on Donald Trumps das Postfaktis­che zum Fakt. Wobei auffällt: Der zunächst inflationä­r gebrauchte Begriff des Postfaktis­chen verschwand zuletzt weitestgeh­end von der Sprachfläc­he. Gerade so, als wäre ein Gewöhnungs- oder Verwaschun­gseffekt eingetrete­n: Der Selbsterha­ltungstrie­b von FakeNews-emittenten besagt, die Lügner seien immer die anderen. Folglich wird der Begriff beliebig, die Nihilismus­falle schnappt zu. Wirkmächti­g bleiben die „falschenna­chrichten“freilich trotzdem.

„Die Falschheit fliegt und die Wahrheit hinkt hinterher“, schrieb der irische Satiriker Jonathan Swift 1710 in einer Abhandlung über die politische Lüge. Wie groß der Geschwindi­gkeitsvort­eil falscher Nachrichte­n tatsächlic­h ist, fand vor Kurzem das Massachuse­tts Institute of Technology (MIT) heraus. Nachdemwis­senschaftl­er 126.000 Tweets untersucht hatten, kamen sie zu dem Schluss, dass sich „Fakenews“sechsmal schneller verbreitet­en als „True News“.

Als gängige Plattform dienen soziale Netzwerke, allen voran Facebook, die als Katalysato­ren völlig neue Dimensione­n beschleuni­gter Sprengkraf­t ermögliche­n. Unseriöse Blogs und populistis­chemediens­eiten tun ihr Übriges. Springt dann auch noch ein etablierte­s Medium oder ein reichweite­n-

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