Namenswahrheit
Der Lüge neue Kleider: Digitale Medien treiben die Falschnachricht in neue Dimensionen und die Gesellschaft in einewahrheitskrise. Einen Ausweg bietetmündigkeit. Und Gelassenheit.
Fraglos, in einer vonmeister Geppetto geschnitztenwelt, in der Lügen jedem Pinocchio eine lange Nase machen, hätten Schlagworte wie „Fake News“oder „postfaktisches Zeitalter“keine große Bedeutung. Denn der Unwahrheit kämen auf diese Weise ihre Funktion und vor allem ihr moralisch fragwürdiger Nutzwert abhanden.
„Bundespräsidentschaftskandidat hat Krebs“, „Der Papst hielt geheimes drittes Vatikanisches Konzil“oder, wie zuletzt von einem österreichischen Boulevardblatt verbreitet: „Bomben-alarm amwiener Hauptbahnhof“. Fake News sind ein Begriff unserer Zeit und als Phänomen dennoch zeitlos. Die Lüge liegt in dernatur der Sache und nicht nur in der menschlichen: Auch unter den Tieren finden sich Arten wie die Krähe, die sich durch bewusste Täuschung manipulativ einen Vorteil gegenüber ihren Mitstreitern verschafft. Und in der menschlichen Kulturgeschichte war die Lüge stets ein zuverlässig unzuverlässiger Begleiter derwahrheit. Das achte Gebot, für sich ein Tausende Jahre altes Manifest gegen die Unwahrheit, kann als Hinweis auf die Beständigkeit der Flunkerei dienen. ie Vorsätzlichkeit ist der Punkt“, erklärt der Philosoph undkommunikationswissenschaftler Georg Schildhammer die Essenz: „Vorsätzlich etwas nicht zu sagen, ist schon schlimm genug. Vorsätzlich etwas Falsches zu sagen – das ist die Definition von Lüge.“Beide Phänomene, die bewusste Falschaussage als
Dauch die bewusste Auslassung, stehen im Zusammenhang mit der Debatte um Fake News.
In naher Verwandtschaft dazu wurde seit demwahlkampf und der Inauguration Donald Trumps das Postfaktische zum Fakt. Wobei auffällt: Der zunächst inflationär gebrauchte Begriff des Postfaktischen verschwand zuletzt weitestgehend von der Sprachfläche. Gerade so, als wäre ein Gewöhnungs- oder Verwaschungseffekt eingetreten: Der Selbsterhaltungstrieb von FakeNews-emittenten besagt, die Lügner seien immer die anderen. Folglich wird der Begriff beliebig, die Nihilismusfalle schnappt zu. Wirkmächtig bleiben die „falschennachrichten“freilich trotzdem.
„Die Falschheit fliegt und die Wahrheit hinkt hinterher“, schrieb der irische Satiriker Jonathan Swift 1710 in einer Abhandlung über die politische Lüge. Wie groß der Geschwindigkeitsvorteil falscher Nachrichten tatsächlich ist, fand vor Kurzem das Massachusetts Institute of Technology (MIT) heraus. Nachdemwissenschaftler 126.000 Tweets untersucht hatten, kamen sie zu dem Schluss, dass sich „Fakenews“sechsmal schneller verbreiteten als „True News“.
Als gängige Plattform dienen soziale Netzwerke, allen voran Facebook, die als Katalysatoren völlig neue Dimensionen beschleunigter Sprengkraft ermöglichen. Unseriöse Blogs und populistischemedienseiten tun ihr Übriges. Springt dann auch noch ein etabliertes Medium oder ein reichweiten-