Kleine Zeitung Steiermark

Schweizer erzählenke­ine Märchen

- Von Martin Quendler

Schweden zitterte sich zum Wm-titel. Der heimliche Sieger ist die Schweiz, die ihren Silber-coup von 2013 wiederholt hat. Ihr Erfolg ist auf einer Niederlage aufgebaut.

Kopenhagen gilt als wunderbare­r Ort der Märchen. Hans Christian Andersen hat sie von der dänischen Hauptstadt aus der Welt erzählt. Beinahe wäre es hier nun zu einem modernen, sportliche­n Märchen gekommen. Erst im Penaltysch­ießen (3:2) triumphier­te Schweden imwm-finale gegen die Schweiz. Damit zitterte sich die Eishockey-großmacht zur Titelverte­idigung. Die Eidgenosse­n wirkten am Boden zerstört. Sie hätten Gold verloren, nicht Silber gewonnen, drückte es Kapitän Raphael Diaz in einer ersten Reaktion aus. Am Tag danach, als Tausende Menschen ihre „Nati“samt WMHelden wie Nino Niederreit­er, Roman Josi oder Kevin Fiala am Zürcher Flughafen empfangen hatten, sah die Welt schon anders aus. Doch Diaz’worte hallen nach und verkörpern die Maßstäbe, die unter Trainer Patrick Fischer herrschen. Das Viertelfin­ale als Standardzi­el hat wohl ausgedient. Es werden hohe Ambitionen gesetzt, geprägt vom Glauben, Großes zu erreichen zu können. Selbst die schwedisch­e Zeitung „Aftonblade­t“hat das erkannt: „Sie spielten mit Herzen, so groß wie das Matterhorn.“Binnen fünf Jahren holte die „Nati“somit zwei Mal Wm-silber. War es bei der Finalpremi­ere 2013 ein 1:5 (gegen Schweden), schrammten sie 2018 nur um Haaresbrei­te an der größten Sensation der Eishockey-neuzeit vorbei.

Elitäres Eishockey-terrain ist für die Schweiz längst zur Routine geworden. Es klingt fast un- glaublich, dass die „Nati“vor 23 Jahren noch gegen Österreich verlor und in die B-gruppe absteigen musste. Diese Pleite zum Anlass genommen, folgte eine beispiello­se Entwicklun­g, die speziell Peter Zahner als Sportdirek­tor im Schweizer Eishockey-verband vorangetri­eben hatte. Jeder Steinwurde umgedreht, knallharte und unangenehm­e Analysen vorgenomme­n: kein Beschönige­n oder Kaschieren à la „Punkterege­l“, die weltweit exklusiv in der Erste Bank Eishockey Liga vorgenomme­n wird. Der Schlüsselz­umerfolg für den gesamten Sport lag aus Sicht der Eidgenosse­n in der Ausbildung heimischer Spieler sowie gleichzeit­iger Legionärsr­eduktion. Maximal vier Imports sind auf dem Spielberic­ht zugelassen. In Österreich erreichte 2017/18 die dahingehen­de Sorglosigk­eit mit einem schwindele­rregenden Durchschni­ttswert von 12,6 Legionären pro Klub groteske Dimensione­n.

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