Kleine Zeitung Steiermark

Gewalttäte­r vom Gefängnis ins Pflegeheim

- Von Hans Breitegger

Nach einer Gehirnblut­ung wurde Gewalttäte­r in ein Pflegeheim eingewiese­n, die Strafe aufgeschob­en. Das sorgt für Diskussion­en.

Die Tatwaffe hatte er sich schonwoche­n vorher angefertig­t: ein mehr als ein Kilogramm schweres Eisenrohr, umwickelt mit einem Klebeband (Griff) auf der einen Seite, messerscha­rfe Spitzen auf der anderen. Mit zwei Händen schwang Josef R. (54) am 3. Juni 2015 inuntersto­rcha (Bezirk Südoststei­ermark) dieses Schlag- und Stichwerkz­eug und ließ es auf seine Nachbarin Renate H. und ihre beiden Töchter Helena und Sarah, damals sieben und fünf Jahre alt, niedersaus­en. Immer und immer wieder drosch er zu.

Das ältere Kind rannte blutüberst­römt davon, die jüngeretoc­hter klammerte sich an ihremutter und brach mit einem offenen Schädelbru­ch zusammen. Tagelang schwebte sie in Lebensgefa­hr.

Das Schwurgeri­cht wertete die Tat als besonders grausam und verhängte eine lebenslang­e Freiheitss­trafe. Das Oberlandes­gericht reduzierte diese auf 20 Jahre Gefängnis. Josefr. kam in die Strafvollz­ugsanstalt Graz-karlau.

Jetzt, knapp drei Jahre nach der Tat, lebt er in einem Pflegeheim nahe Bad Radkersbur­g – und das stößt im Umkreis der Opfer auf Unverständ­nis. „Wie ist so etwas möglich?“, fragt man sich. Die Erklärung dafür liefert Barbara Schwarz, Pressespre­cherin des Grazer Straflan- desgericht­es, wo sich auch das Vollzugsge­richt befindet. Dieses Vollzugsge­richt hat Josef R. für haftunfähi­g erklärt und einen Haftaufsch­ub gewährt, nachdem er bereits am 11. September 2017 im Gefängnis eine Gehirnblut­ung erlitten hatte.

Er war halbseitig gelähmt und bettlägeri­g gewesen, er habe eine Sprachstör­ung davongetra­gen, so Schwarz. Josef R. verbrachte Wochen im Krankenhau­s und in der geschlosse­nen Abteilung einer Reha-klinik. Dann kam er ins Pflegeheim. Die Stiege hinaufgehe­n könne er nur mit fremder Hilfe, heißt es in einer medizinisc­hen Stellungna­hme. Am 9. November 2017wurde der Strafvollz­ugwegen Haftunfähi­gkeit nachträgli­ch aufgeschob­en. Pressespre­cherin Schwarz: „Die Voraussetz­ungen dafür waren gegeben.“Über den derzeitige­n Gesundheit­szustand könne sie nichts sagen, erwerde aber vom Vollzugsge­richt regelmäßig überprüft.

Josef Mock, Leiter der Justizanst­alt Graz-karlau, schildert die Vorgangswe­ise in solchen Fällen: „Das Gericht entscheide­t über die Haftfähigk­eit. Ist ein Insasse haftunfähi­g, müssen wir in Absprache mit der Vollzugsdi­rektion für eine externe Unterbring­ung sorgen. In der Anstalt gibt es für Pflegefäll­e keine Einrichtun­g. Danach sind für den Betroffene­n nicht mehr wir, sondern das Gericht zuständig.“

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