Die ungekürzte Rede
auch in der politischen Berichterstattung. Dort sieht man eine verbreitete Tendenz, in der Polarisierung verlässlich Partei zu ergreifen: Manfindet die türkisblaue Regierung gut oder schlecht, manbegrüßt oder verdammt pauschal ihre Reformen, ihr Personal, ihren politischen Stil. Diese Teilleistungsschwäche bedroht das Ganze. App Kleine-zeitung- kleinezeitung.at Denn richtig eng wird es für den Journalismus erst dann, wenn er nicht mehr unterscheidbar ist vom allzeit geschwätzigen Facebook-geschreibsel der Vorverurteilungsblasen.
Politische Berichterstattung ist immer im guten Sinn unberechenbar und unbequem. Zwar soll niemand grundsatzlos oder ideologiefrei arbeiten müssen. Aber wir sind es unseren Lesern und unserer Selbstachtung schuldig, ehrliche Makler der Debatte zu sein. Gefragt sind die Gabe der Unterscheidung und die systemische Missachtung eigener Vorurteile. or allem aber sollten wir festhalten an dem beharrlich-störrischen Versuch, eine altmodische Nachdenklichkeit durch den Gegenwind der Gegenwart zu tragen. Der Wesenskern journalistischer Arbeit liegt unzweifelhaft dort, wo sie vordergründig nicht marktgängig ist. Der Vergleich mit anderen Wirtschaftszweigen macht sicher. Autokonzernezumbeispiel bauen ja angeblich nur deshalb massenhaft die großen, umweltschädlichen Suv-modelle, weil Kunden das so wollen. So einfach machen wir Journalisten es uns nicht.
Es sollte stärker ins allgemeine Bewusstsein rücken, dass Medienhäuser mindestens mit den Ressorts Innenpolitik, Außenpolitik, Wirtschaft undkultur vorsätzlich an den niedrig hängenden Früchten des Marktes vorbeiproduzieren – unter erheblichem Aufwand und im Interesse der Demokratie. Diese freiwillige Sonderleistung für das Gemeinwohl ist singulär. Wer sie respektvoll in Rechnung stellt, der darf sich dann immer noch über die vielen Fehlleistungen im Journalismus ereifern. Aber vielleicht wird er sie etwas gelassener ertragen.
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