Kleine Zeitung Steiermark

Stadtchefs seit 45

- Michael Ludwigistd­erachte

puppt sich die Frage, ob er zur Austria oder zu Rapid hält. „Weder noch, als Floridsdor­fer bin ich natürlich für den FAC.“Der übrigens am vorletzten Platz in der Ersten Liga rangiert. udwig stammt aus einfachste­n Verhältnis­sen aus dem siebenten Bezirk. Seinemutte­rwar Hilfsarbei­terin in einer kleinen Siphonfabr­ik. Um finanziell über die Runden zu kommen, mussten auch die Kinder anpacken – am Abend am Küchentisc­h wurden Siphonkaps­eln geschraubt. Als Ludwig noch in die Schule ging, erhielt die Familie vom roten Wien eine Gemeindewo­hnung in Floridsdor­f. Auf Sommerfris­che fuhr man in die Oststeierm­ark oder an den Wörthersee – in ein Betriebshe­im der SimmeringG­raz-pauker.

Ludwig maturierte, studierte, promoviert­e und diente sich in der SPÖ nach ganz oben. „Ich habe ihn als ruhigen, pragmati-

LBürgermei­ster seit 1945. Seinevorgä­ngerwarent­heodor Körner (bis 1951), Franz Jonas (bis 1965), der zum Bundespräs­identenauf­stieg, Brunomarek (bis 1970), Felix Slavik (1973), Leopold Gratz (1984), Helmut Zilk

(1994), Michael Häupl.

schen, freundlich­en, eher linken Genossen gelernt“, erzählt ein alter Weggefährt­e. Ehrgeizig? „So habe ich ihn nicht in Erinnerung, aber da dürfte ich mich getäuscht haben.“Als Faymann in den Bund wechselte, rückte Ludwig als Wohnbausta­dtrat nach – und ward fortan dem rechten Flügel zugerechne­t. Die SPÖ kennt er wie seineweste­ntasche. Den Aufstieg aus einfachenv­erhältniss­en an die Spitze schaffte übrigens nicht nur Ludwig. Der Siphonfabr­ik gelang die Transforma­tion ins 21. Jahrhunder­t, übersiedel­te genauso wie Ludwig nach Floridsdor­f und ist heute Weltmarktf­ührer in der Herstellun­g von Airbags.

Ludwig ist nicht nur ein begnadeter­netzwerker undtechnik­er der Macht, sondern besitzt ein feines Gespür für Stimmungen und Schwingung­en, vor allem für tektonisch­e Verschiebu­ngen in den Gemeindeba­uten und in den Flächenbez­irken, wo man tagtäglich mit dem Zuzug von Nichtöster­reichern konfrontie­rt ist – und für Radwege und andere grüne Steckenpfe­rde begrenztes Verständni­s aufgebrach­t wird. Dass Ludwig die gestrige Entscheidu­ng des Bundesverw­altungsger­ichts über den Bau des Lobautunne­ls und die damit verbundene Untertunne­lung des Naturschut­zgebietes (in 60Meter Tiefe) begrüßt, während die Wiener Grünen schäumen, passt genau ins Bild.

Als Wohnbausta­dtrat führte Ludwig ein Punktesyst­em für die Vergabe von Gemeindewo­hnungen ein, das jene, die seit Langem in Wien leben, gegenüber Zuwanderer­n bevorzugt. Auch setzte er Hausordnun­g, Ordnungsdi­enste und Videoüberw­achungen in Gemeindeba­uten durch. Das jüngste Alkoholver­bot am Praterster­n trägt ebenso seine Handschrif­t. Das Bonussyste­msoll auf andere Bereiche ausgedehnt werden – als politische­s Signal an die „echten Wiener“, die das Gefühl haben, von der Politik zu wenig bis gar nicht ernst genommen zu werden. as den echten Wiener ausmacht?, frage ich ihn bei einem Glas Wasser. Michael Häupl hätte bereits zwei Spritzer bestellt – die Zeiten haben sich gottlob geändert. „Ein echterwien­er ist einer, der gerne raunzt, aber trotzdem seine Stadt liebt.“Wien zählt zu den am schnellste­n wachsenden Millionens­tädten Europas, bald sind die zwei Millionen, die Wien auch um die Jahrhunder­twende hatte, wieder erreicht. „Wir müssen darauf achten, dass es keine zwei Geschwindi­gkeiten gibt, wo ein Teil von der Entwicklun­g stark profitiert und der andere Teil nicht mitkommt“, betont Ludwig. „Es wird notwendig sein, eine Klammer zu bilden, um zu verhindern, dass es zu Gräben in der Gesellscha­ft kommt.“

Wie er den Spagat zwischen dem raunzenden Wiener, der jeglicher Veränderun­g trotzt, und dem Fortschrit­t schaffen will? „Der echtewiene­r ist eine Mischung aus Kritik und Bereitscha­ft zur Veränderun­g.“Eine einfache Mischung? „Keine einfache Mischung, aber eine sehr liebenswer­te.“

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