Kleine Zeitung Steiermark

Italiens Regierung erschütter­t die Finanzmärk­te

- Von Thorsten Knuf, Brüssel So gesehen Im Regierungs­programm

Das geplante Regierungs­programm für Italien hat schon jetzt zu Unruhe an den Finanzmärk­ten geführt. Selbst die Eu-partner halten sich nicht an die übliche Zurückhalt­ung.

In der Europäisch­en Union herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Das liegt in der Natur der Sache: 28 Mitgliedst­aaten hat die Gemeinscha­ft, irgendwo wird eigentlich immer gewählt oder eine neue Regierung gebildet. Wie das in Demokratie­n üblich ist.

Und weil das so ist, hat sich die Sitte herausgebi­ldet, dass sich die Brüsseler Institutio­nen oder die Mitgliedst­aaten nicht einmischen, wenn in einem anderen Land ein Machtwechs­el bevorsteht. Ist die neue Regierung schließlic­h im Amt, kann man dezent und im freundlich­en Ton Erwartunge­n an sie formuliere­n. Wer das vorher tut, sieht sich schnell dem Vorwurf ausgesetzt, sich in die inneren Angelegenh­eiten eines Partners einzumisch­en.

passieren im Hinblick auf Italien bemerkensw­erte Dinge. Die populistis­che Fünf-sterne-bewegung und die fremdenfei­ndliche Lega schicken sich an, die Regierungs­geschäfte in Romzu übernehmen. Es ist das erste Mal, dass Europaskep­tiker in einem Gründungsm­itglied der Gemeinscha­ft die Macht übernehmen. Noch dazu in einem, das aufgrund seiner Größe und Wirtschaft­skraft zu den Stützpfeil­ern der Union gehört. Also ist von diplomatis­cher Zurückhalt­ung gegenüber der künftigen Regierung nichts zu spüren.

Man empfehle den Italienern doch sehr, „auf Kurs“zu bleiben und eine verantwort­ungsbewuss­te Haushaltsp­olitik zu betreiben, mahnte etwa der EUKommissi­onsvize Valdis Dombrovski­s. „Italien hat die zweithöchs­te Staatsvers­chuldung der Eurozone nach Griechenla­nd.“Und aus Paris, dem neuen politische­n Kraftzentr­um der Union, meldet sich Wirtschaft­sminister Bruno Le Maire mit folgender Warnung zu Wort: „Wenn die neue Regierung es riskiert, ihre Verpflicht­ung zu Schulden und Defizit nicht einzuhalte­n, aber auch die Sanierung der Banken, wird die gesamte finanziell­e Stabilität der Eurozone bedroht sein.“

in Brüssel und den anderen Hauptstädt­en ist beträchtli­ch. Und das hat einen guten Grund: Europa befürchtet, dass die Schuldenkr­ise mit voller Wucht zurückkehr­t und die Gemeinscha­ftswährung erneut inswanken gerät. Schließlic­h ist Italien die drittgrößt­e Volkswirts­chaft der Eurozone und die achtgrößte der Welt.

Seit dem Jahr 2012 haben die Europäer die Krise einigermaß­en im Griff. Damals versprach der Präsident der Europäisch­en Zentralban­k, Mario Draghi, alles Notwendige zu tun, um den Euro zu retten. Er machte ehedem deutlich, dass die EZB notfalls ihre unbegrenzt­e finanziell­e Feuerkraft einsetzen würde, um taumelnde Staaten vor der Pleite zu bewahren. Zugleich schufen die Eurostaate­n Mechanisme­n, um angeschlag­ene Mitglieder zu unterstütz­en. Geld gegen Reformen, lautet das Prinzip. Italien brauchte anders als Griechenla­nd oder Spanien bislang keine Finanzspri­tzen seiner Partner. Aber so wie alle anderen Eurostaate­n verpflicht­ete es sich zu Haushaltsd­isziplin und Strukturre­formen, umdiewirts­chaftwettb­ewerbsfähi­ger zu machen und sich das Vertrauen der internatio­nalen Finanzmärk­te zu sichern.

der künftigen Koalitionä­re ist davon freilich keine Rede mehr. Im Gegenteil: Die Lega und die Fünf Sterne wollen der Sparpoliti­k ein Ende setzen, die Steuern senken und neue Sozialleis­tungen einführen. Im Hinblick auf Schulden des Staates gehe es darum, die europäisch­en Verträge „neu zu diskutiere­n“, wie es im Vertrag heißt.

Nicht nur bei den europäisch­en Partnern, sondern auch an den Finanzmärk­ten gibt es erhebliche Skepsis, ob das der richtige Weg ist. Auf italienisc­he Staatsanle­ihen werden schon beträchtli­che Risikozusc­hläge fällig. Für den Staat wird es also teurer, sich Geld zu leihen und alte Schulden durch neue abzulösen. Im historisch­en Vergleich sind die Zinsen freilich nach wie vor niedrig. Steigen sie, wird der finanziell­e Spielraum gleichwohl enger.

Selbst die Industriel­len Italiens beobachten die Entwick- lungen mit Sorge. Das Koalitions­programmen­thalte zuwenige Informatio­nen über die Finanzieru­ng der darin enthaltene­n Maßnahmen, betonte der Chef des Unternehme­rverbands Confindust­ria, Vincenzo Boccia, bei der Jahresvers­ammlung in Rom. Vor allem die geplante Änderung der seit 2012 in Kraft getretenen Pensionsre­form „Fornero“macht Boccia zu schaffen. Das Regierungs­programm enthalte seiner Ansicht nach nicht ausreichen­de Maßnahmen zur Ankurbelun­g der Jugendbesc­häftigung.

Neben den höheren Sozialausg­aben und Steuersenk­ungen hatten Überlegung­en für Aufre-

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria