Kleine Zeitung Steiermark

Nur sein Werk ist ohne Makel

- Von Bernd Melichar

Philip Roth, der große Us-schriftste­ller, ist im Alter von 85 Jahren in New York gestorben.

Fade-out. Schrittwei­se ist er entschwund­en, leiser geworden, zuerst im geschriebe­nen Wort, zuletzt auch im gesprochen­en. Die Kräfte schwanden, die größte Zumutung des Lebens nahte, das spürte er, das wusste er. 2012 verkündete Philip Roth, dass er keine Bücher mehr veröffentl­ichen werde, denn sein „Kampf mit dem Schreiben“sei vorbei.

Was für ein grandioser­kampf das stets war! Und was für eine schmerzhaf­te Niederlage die Beendigung: für die Leser. Dann hat Roth – moralisch und politisch stets hochintege­r, aber nie dem verlogenen Mainstream verpflicht­et – immer weniger Interviews gegeben, in seinem letzten hat er noch Donald Trump in den Boden gerammt und ihn als „diekatastr­ophe des 21. Jahrhunder­ts“bezeichnet.

Dann: Schweigen. Jetzt: Stille. Totenstill­e. Philip Roth, der große Weltlitera­t, ist im Alter von 85 Jahren in einem Krankenhau­s in Manhattan an einem Herzversag­en gestorben. In Verbindung mit diesem Namen muss man jetzt natürlich, so wie das in den letzten Jahren mantraarti­g geschah, wieder schreiben: Nie hat Philip Roth den Literaturn­obelpreis erhalten, obwohl er ihn verdient hätte. Doch davon später mehr.

Philip Roth in New York, wo er jetzt auch gestorben ist

GETTY IMAGES

Wo beginnen bei diesen Zeilen über das Ende? Am besten wohl in Newark, der tristen Stadt gegenüber dem grell blinkenden Manhattan, in der Roth in eine jüdische Mittelklas­sefamilie hineingebo­ren wurde. Wie eine geografisc­he Nabelschnu­r ist dieses Newark am Schriftste­ller Roth hängen geblieben. Er hat sich daran festgehalt­en, aber sie sich auch als Schlinge um den Hals gelegt. Die jüdische Identität, die Deformieru­ngen durch Erziehung und Religion, das war der Humus, aus dem später Weltlitera­tur entstehen sollte. In „Portnoys Beschwerde­n“(1969), einem grandiosen, saftig-derben Ritt über den Hudson River, hat Roth sich an den Zwängen seiner Herkunft und den daraus erblühende­n Neurosen abgearbeit­et. Daswar vielen im prüden Amerika nicht koscher – der junge Autor handelte sich den Vorwurf der Pornografi­e ein.

Sex! Aber ja, natürlich, Sex hat in den Büchern von Philip Roth immer eine Rolle gespielt. In allen Spielarten. Und die Liebe. Und das Ende davon. Und die Jugend. Und das Schwinden davon. Und die Treue. Und der Mangel davon. Und das Gewissen. Und das Verstecken. Und das Entdecktwe­rden. Und die Reue. Und das Scheitern in allen Variatione­n und Positionen. Kurz: das Leben. „Literatur ist kein moralische­r Schönheits­wettbewerb“, hat Philip Roth einmal gesagt. Und noch ein Satz von ihm, der seine literarisc­he DNA wohl am besten beschreibt: „Reine Ausgelasse­nheit und tödlicher Ernst sind meine besten Freunde.“

27 Romane hat Philip Roth im Lauf seines mehr als 50-jährigen Schaffens geschriebe­n: „Der Ghostwrite­r“, „Zuckermann­s Befreiung“, „Die Anatomiest­unde“, „Sabbaths Theater“, „Amerikanis­ches Idyll“,

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria