Von hoher Brisanz
Steht Irland vor einer gesellschaftlichenwende? Heute könnten die Bürger das Ende von einem der weltweit striktesten Abtreibungsverbote einleiten.
Es
ist ein wunder Punkt, der die traditionell lebenden Iren seit Dekaden polarisiert – nun votiert das 4,8-Millionen-einwohnerland im Nordwesten Europas zum hochemotionalen Thema der Abtreibung.
Dass das Referendum heute überhaupt stattfindet, gilt Beobachtern als Zeichen eines gesellschaftlichen Wandels im konservativ-katholischen Land. Es wäre in der Tat eine gesellschaftspolitische Zeitenwende: Noch 1983 wurde ein totales Abtreibungsverbot in den Verfassungsrang gehoben. Erst 30 Jahre später wurden Schwangerschaftsabbrüche in einem engen Ausnahmenkatalog erlaubt – sofern das Leben der Mutter in Gefahr ist. Befürworter der Wahlfreiheit bringen Amanda Mellet als Argument: Die Irin, die 2011 schwanger geworden war, wich für eine Abtreibung nach Großbritannien aus, als am Fötus in ihrem Körper eine tödliche Missbildung festgestellt wurde. Sie ging vor die UNMenschenrechtskommission – und behielt recht: Ihr Schicksalwurde als Grundrechtsverstoß eingestuft, die Regierung bot 30.000 Euro Entschädigung an.
Umfragen sagten zuletzt einen Ausgang zugunsten der Befürworter desrechts auf Schwangerschaftsabbruch voraus. Bis zu 170.000 Irinnen sollen seit 1980 für Abtreibungen ins Ausland – und hier vor allem nach England, Wales und in die Niederlande – gereist sein, rechnet die Christian Solidarity Party vor. Die Positionen der Parteien blieben starr, Ministerpräsident Leo Varadkar tritt indes offiziell für eine Liberalisierung des beste- henden Rechtes ein – auch im Parlament gibt es eine Mehrheit dafür. Gespalten blieb die Bevölkerung.
Fällt das Abtreibungsverbot, müsste es aus der Verfassung gestrichen werden. Ein Gesetzesentwurf sieht Straffreiheit in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen vor, unter gewissen Voraussetzungen bis zum sechsten Monat. Tausende im Ausland lebende Iren werden eigens für die Abstimmung in die Heimat kommen, kündigten sie an.
In Österreich ist der Schwangerschaftsabbruch im Sinne der Fristenregelung seit gut 30 Jahren straffrei, sofern er nach ärztlicher Beratung in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft durchgeführt wird – sowie bei medizinischer Indizierung für Kind oder Mutter oder falls die Schwangere zur Zeit der Zeugung unmündig war.