Ein Manifest für das Christentum
Theologe Manfred Lütz kämpft mit historische Fakten gegen Fake News.
ist sich sicher: Das Christentum ist nicht so schlecht wie sein Ruf. Er – das ist Manfred Lütz, Psychiater, Psychotherapeut, katholischer Theologe und Bestsellerautor. Innerhalb kürzester Zeit zum Verkaufsschlager im deutschsprachigen Raum geworden ist auch sein neuestes Werk „Der Skandal der Skandale. Die geheime Geschichte des Christentums“. Denn seinermeinung nach ist es hoch an der Zeit, für diereligion von gut zwei Milliardenmenschen weltweit die Lanzezubrechen. Womit wir bei den Kreuzzügen und damit mitten im Buch wären. Lütz schildert den Kontrollverlust des Papstes in Rom und des Kaisers in Konstantinopel über die Truppen, die auf der Flucht vor Armut und kriegerischen Auseinandersetzungen in ihrer europäischen Heimat ihr Seelenheil als bewaffnetewallfahrer nach Jerusalemsuchten– dort aber im Jahr 1099 zu blutrünstigen Barbaren wurden. Dass christliche und islamische Quellen ein teilweise gänzlich anderes Bild zeichnen, wundert den katholischen Theologen nicht: Geschichtsschreibung bedeutete im Mittelalter nicht diewiedergabe von Fakten, sondern das Produzieren von Pr-texten, um nicht zu sagen, Propaganda für die eigenen Reihen. Und dawaren – umein heutigeswort zu verwenden – Fake News nicht selten.
Lütz vollführt einen Ritt von der Christianisierung der Germanen, Reformation, Inquisition und Hexenverbrennungen über die Missionierung Südamerikas, von den mörderischen Pogromen an den Juden bis hin zur Rolle der Frau, Zölibat, Missbrauchsskandal und zu der aktuellen Flüchtlingsfrage – und stützt sich dabei auf die Forschungsergebnisse des renommierten Münsteraner Kirchenhistorikers Arnold Angenendt. Er tut es pointiert – auch um den Preis, an der ein oder anderen Stelle die Relation aus den Augen zu verlieren. Und er tut es in einer Sprache, die auch oder gerade für Nicht-theologen gut verständlich ist. Und das ist wohl die größte Leistung des Buches: Lütz macht interessierten Laien die Tür auf zu einem anderen Blick auf das Christentum. Er ist nicht der einzig wahre, aber jedenfalls ein spannend zu lesender.
Der Skandal der Skandale. Herder-verlag,
288 Seiten, 22,70 Euro.