Wiederkehr des Lieblingsräubers
Seit den Sechzigerjahren bewohnt der Räuber Hotzenplotz heimische Kinderzimmeridyllen. Nun wird, aus Otfried Preußlers Nachlass, Band 4 nachgereicht. Muss das sein?
Er ist also wieder da. Liegt, einmal mehr dem wohlverdienten Knast entsprungen, an der Landstraße auf der Lauer, mit gesträubtem Raspelbart unter der mächtigen Hakennase und der krummen Feder auf dem Räuberhut.
„Der Räuber Hotzenplotz und diemondrakete“heißt das neue Buch um den liebenswerten Schurken mit der fürchterlichen Pfefferpistole. Es ist, fünf Jahre nach dem Tod seines Schöpfers Otfried Preußler, das vierte Abenteuer um den Ganoven, der skrupellos Großmütter um ihre Kaffeemühlen erleichtert und in einem hohlen Baum hinter seiner Räuberhöhle ein üppig bestückteswurst- und Schmalzlager unterhält.
Das Manuskript deswerks hat Preußlers Tochter im Nachlass des großen Geschichtenerzählers entdeckt, es war als gerade einmal fünfseitiges Kasperlstück für die Theaterbühne verfasst, wurde 1967 und 1969 schon in Sammelbänden abgedruckt und nun zu einem „erzählten Kasperltheater zwischen zwei Buchdeckeln“umgearbeitet. Chronologisch ist daswerk, in dem die beiden Helden Kasperl und Seppel beschließen, den „gefährlichsten Räuber im ganzen Landkreis“zwecks endgültigerwiederherstellung der bürgerlichen Ordnung auf denmond zu schießen, irgendwo zwischen Band 1 und 3 einzuordnen. Ob Preußler die Veröffentlichung gutgeheißen hätte, wird bereits streng diskutiert. Detto die Frage, obmanihm und seiner „Hotzenplotz“-trilogie damit etwas Gutes tat: Der „Mondrakete“merktmandurchausan, dass sie erst zum Buch aufgeblasenwerden musste; ganz so originell wie seine Vorgänger ist das Werk auch nicht. eht es bei dieser Veröffentlichung also um die notwendige Ergänzung eines gewichtigen literarischen Erbes oder doch nur um Profitoptimierung? Na ja: Als bekannt wurde, dass der neue Hotzenplotz im Juli erscheinen soll, war das Publikumsinteresse so enorm, dass der Verlag Thienemann-esslinger den Erscheinungstermin um fast zweimonate vorverlegte. Freitagwurde das Buch ausgeliefert.
GDass hier das Zielpublikum der Leserinnen und Leser ab sechs seineungeduld nicht länger in Zaum halten konnte: unwahrscheinlich. Der Vorab-erfolg von Hotzenplotz 4 ist also wohl ihren Eltern, Onkeln, Tanten zu danken – und deren Fernweh nach dem eigenen Kinderzimmeridyll der 60er-, 70er-, 80er-jahre. Damals wurden die Bücher in 34 Sprachen übersetzt und bis heute mehr als sechs Millionen Mal verkauft. u Recht, lässt sich nach Wiederlektüre der zwischen 1962 und 1973 veröffentlichten drei Originalbände feststellen, völlig zu Recht. Denn erstens zeigt sich Preußler, der Generationen vonnachwuchslesern mit Büchern wie
Z„Die kleine Hexe“, „Das kleine Gespenst“, „Der kleinewassermann“bezauberte, im „Hotzenplotz“auf der Höhe seiner Erzählkunst. Spannung und Komik der Handlung halten bis heute. Auch dass die „Mondrakete“ganz ohne Preußlers typischewortverdrehungen auskommt, wird an den alten Büchern schmerzlich offenbar: In denen faschieren Kasperl und Seppel die Namen des Räubers und seines bösen Zaubererfreunds zu unsterblicher Schönheit. Aus Hotzenplotz wird Plotzenhotz, aus Petrosilius Zwackelmann Zeprodilius Wackelzahn und Reprozilius Fackelspan: eine vielversprechende Taktik, will man Bösewichte indenwahnsinn treiben bzw. Kindern dasvergnügen an Sprachbasteleien beibringen.
Wer will, kann aus der Heileweltromantik und Nachkriegsgemütlichkeit, in der Frauenfiguren als Großmütter undhellseherinnen nur am Rande vorkommen, natürlich auch feine Ironie destillieren: Den Räuber selbst etwa lässt Preußler wochentags pünktlich um sechs Uhr morgens aufstehen und