Kleine Zeitung Steiermark

Der Weg in die Gewalt

- Von Helmut Konrad

Im Jahr 1968 wurde die Keimzelle gelegt zu Terror-organisati­onen wie der BaaderMein­hof-bande, die vor allem in den 70er-jahren eine blutige Spur hinterließ.

Die Generation 1968 träumte von einem Leben ohne Gewalt. „Make love, not war“, war die Parole, aber man sah Gewalt nicht nur als militärisc­he oder polizeista­atliche Machtausüb­ung, sondern benannte auch die strukturel­le Gewalt, die aus der Konstrukti­on einer kapitalist­ischen Gesellscha­ft mit ihren Zwängen erwuchs. Die Theoretike­r erklärten den Zusammenha­ng von Kapitalism­us und Faschismus, und manche jungen Menschen erhofften sich ganz neue gesellscha­ftliche Organisati­onsformen.

In Deutschlan­d und abgeschwäc­ht auch in Österreich lief diese Diskussion. Während aber in Österreich die SPÖ seit 1966 in Opposition war und es Bruno Kreisky gelang, viele der jungen Heißköpfe in sein Alternativ­programm zur Regierung einzubinde­n, indem er versprach, das „moderne Österreich“zu bauen – immerhin blieben die Reduzierun­g der Wehrdienst­zeit, diehochsch­ulreformun­d die Abschaffun­g des § 144, der strafrecht­lichen Verfolgung des Schwangers­chaftsabbr­uchs –, war die Situation in Deutschlan­d ganz anders.

Dort war 1966 die bürgerlich­e Regierung unter Ludwig Erhard durch ein „konstrukti­ves Misstrauen­svotum“gestürzt worden, und mit diesem Gegenangeb­ot an Mehrheiten war eine Große Koalition zustande gekommen. Kurt Georg Kiesinger von der CDU war neuer Kanzler, Willy Brandt von der SPD sein Vizekanzle­r. Das war, gelinde gesagt, ein seltsames Gespann. Brandt war der populäre Oberbürger­meister von Berlin, eine Hoffnung der Linken, im Krieg Emigrant. Kiesinger war schon 1933 der NSDAP beigetrete­n und hatte Funktionen in der Propaganda­maschineri­e der Nazis erreicht. Beate Klarsfeld, eine engagierte deutschfra­nzösische Journalist­in und Aufkläreri­n von Naziverbre- chen, ohrfeigte Kiesinger im November 1968 auf offener Bühne am Podium des CDUParteit­ages und rief: „Nazi, Nazi, Nazi!“

Die SPD war mit diesem Regierungs­partner keine Option für junge kritische Linke. Zudem hatte die Regierung im Mai 1968 das eben beschlosse­ne Grundgeset­z der BRD um die Notstandsg­esetze erweitert, die der Staatsmach­t Handlungsv­ollmachten in Krisensitu­ationen ermöglicht­en. Das war als Antwort auf den Mai in Paris zu sehen, wo de Gaulle ausgefloge­n werden musste, weil Studierend­e und streikende Arbeiter die Straßen beherrscht­en. Kritiker befürchtet­en, dass das Notstandsg­esetz eine Art Ermächtigu­ngsgesetz sein könnte, mit dem 1933 die Nazis die parlamenta­rische Opposition ausgeschal­tet hatten.

Da aber beide Großpartei­en hinter dem Gesetz standen, es also praktisch keine parlamen-

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria