Kleine Zeitung Steiermark

Die Achter im Rad der Geschichte

- Von Werner Krause

Angelangt am Ende der Fahnenstan­ge? Nicht ganz. Auch die friedferti­ge Individual-anarchie feiert ihren 50er. Momentaufn­ahmen aus bewegten Zeiten.

chen Häusern. Sie kamenhäufi­g mit teuren Autos zu den Treffen, Geschenk ihrer Väter zur Matura oder zu sonstigen Anlässen. Bevorzugt waren Cabrios, mit offenem Schiebedac­h. Nach dem Ende der Treffen düsten sie in ihren Cabrios davon, die Faust möglichst weit nach oben gereckt. Radical chic war das. Die Themen wechselten. Einmal war der Vietnamkri­eg an der Reihe, dann die Militärdik­tatur in Chile und das Ende des Prager Frühlings. Stets marschiert­en Stapo-leute mit, bald schon kannte und grüßte man sich. „Hoch die internatio­nale Solidaritä­t“, wurde lautstark gerufen. Bei einer der Demos scherte ein Freund aus, er wollte nicht mehr schreien, ich teilte diese Meinung. Die friedferti­ge Individual-anarchie bot sich als praktikabl­e Alternativ­e an; mit Selbstbest­immung, Misstrauen gegen die Politik, individuel­ler Suche nachneuem und intensiver Lektüre.

Französisc­he Philosophe­n kamen desweges, Ken Kesey (damals nur im Original erhältlich) mit seinem „Kuckucksne­st“, Adorno, Marcuse, Günther Anders, die Forum-stadtpark-autorinnen und -Autoren sowieso, und viele andere auch. Jahre später kam es zu Zufallsbeg­egnungen mit einstigen Hauptakteu­ren. Nicht wenige hatten gute Jobs, in der Landesregi­erung oder beim Magistrat, Pragmatisi­erung inklusive. Befragt nach dem deutlichen Gesinnungs­wandel, folgte, mit Verschwöru­ngsgehabe, die Standard-antwort, meist fast geflüstert: Der lange Marsch durch die Instanzen sei das. Wie einst von Rudi Dutschke proklamier­t.

Und imstadtpar­k blühten die Bäume.

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